Algorithmus: Was, wenn Dein Echo vor Dir spricht?

18. April 2018 von Tatjana Lackner, MBA

Der sympathische Eli Pariser, Autor und Präsident von MoveOn.org, hat in seinem Buch „The Filter Bubble: What the Internet is hiding from you“ schon 2011 darauf hingewiesen, dass jeder von uns beispielsweise auf Google völlig unterschiedliche Suchergebnisse bei ein und demselben Begriff bekommt. In seinem Ted-Talk hat er das nachvollziehbar veranschaulicht. Er bat damals verschiedene Freunde nach dem Begriff „Ägypten“ zu suchen und ihm die Screenshots zu senden. Sein Kumpel Daniel bekam keine Links zu den Protesten in Ägypten, wogegen Scotts Ergebnisse voll waren von genau diesen Informationen rund um die Aufstände.

Klar ist heute, dass digitaler Lobbyismus nicht nur für Google und Facebook gilt, sondern sich durch das gesamte Internet erstreckt. Wenn 80 Prozent unserer Weltsicht manipuliert oder feiner ausgedrückt „personifiziert“ ist, dann führt das unweigerlich in eine Filterblase.

Ein Algorithmus ist niemals neutral

In der Kommunikation spielt der diesbezügliche Echokammer-Effekt eine wichtige Rolle. Darunter versteht man Menschen, die durch digitale Bestätigung und vorgefilterte, personalisierte Weltbetrachtung zu ihren Meinungen gelangen. Die Gefahr, wenn wir, dank Algorithmus, online Recht bekommen und analog scheitern, gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern vor allem unser tägliches Miteinander. Wenn dann physische Einschränkungen, Schmerzen und verhärtete Lebensumstände dazu kommen, verengt sich unsere Weltsicht.

Nicht einmal beim Arzt fühlen wir uns dann verstanden. Dort wird die Zeit der persönlichen Ansprache knapper. Der volle Warteraum hofft auf flotte Diagnosen vom Arzt und gestrichene Small-Talk-Passagen von Seiten des Patienten im Behandlungsraum. Laut APA nutzen ebenfalls knapp 80% der Österreicher das Internet regelmäßig. Patienten suchen nach Antworten zu auftretenden Symptomen, nach Medikamenten und ihren Nebenwirkungen und ganz häufig auch nach Erläuterungen zu ärztlichen Befunden. Immer wieder geben sie an, dass sie sich nach einer gestellten Diagnose nicht optimal betreut gefühlt haben.

Bestätigung aus dem Netz

Auffallend ist zudem, dass seit einigen Jahren sowohl im öffentlich geführten politischen Diskurs, aber auch in den privaten Haushalten die Grabenbrüche zwischen Linken und Rechten, Alten und Jungen, Männern und Frauen, etc. eine Renaissance erleben. Dabei weht ein rauer Wind durch die Behauptungen und Standpunkte. Viele überzeugte Gemüter halten flammende Reden und deklarieren sich als Wutbürger. Jugendliche sind heute zwar politisch nicht zwingend interessierter, aber viele klingen deutlich überzeugter von der eigenen Meinung als früher. Komisch, denn Ende des letzten Millenniums waren sich viele Teenager oftmals gar nicht so sicher, ob ihre Argumente das Gelbe vom Ei sind. Hat die wesentlich überzeugtere Attitüde weniger mit einer qualifizierten Haltung oder der Rückendeckung aus dem Elternhaus zu tun, sondern mit zustimmenden Algorithmen?

Nachdem uns heute die eigene Echokammer, noch bevor wir in den sozialen Medienwald rufen mit vorselektierten Sichtweisen zurückschallt, verlernen wir zusehends den konfrontativen Diskurs zu führen.

Fazit: Wer nur für die Deutsch-Schularbeit lernt, Argumente abzuwägen und Meinungen einander gegenüber zu stellen, der verarmt sprachlich. Im Trainingsalltag beobachte ich, dass „sich eine Meinung zu bilden“ für viele harte Denkarbeit bedeutet. Selten recherchieren die Menschen Argumente. Sie finden Meinungen. Wie praktisch, denn beide wurden schon für ihre Suche von Algorithmen bereits aufbereitet. Viele öffentliche Sendeanstalten sind gefärbt und Zeitungen bedienen verschiedene Zielgruppen. Aber sie sind nicht „personalisiert“, was manchmal ein Segen ist.

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