In den Nachrichten poppt “Inflation” an jeder zweiten Ecke auf. Vom inflationären Gebrauch von Begriffen redet diesbezüglich leider niemand. Dabei hängen schlechte Gesprächsführung und wirtschaftliche Stagnation eng zusammen.
Ausgewaschene Formulierungen zeigen sich in jeder zweiten Besprechung – egal ob online oder live und angesichtig. Gemeint sind hier sowohl relativierende Füllwörter wie “irgendwie”, “quasi”, “sozusagen”, “mehr oder weniger” und “im Großen und Ganzen”, als auch leere Phrasen oder Buzzwords.
In vielen Geschäftsgesprächen und Marketingmaterialien werden Produkte bzw. Ideen als „innovativ“, „nachhaltig“ und „synergistisch“ angepriesen, ohne klare Definitionen oder konkrete Beispiele.
Dazu kommt das Regiment der “Eigenlobhudler”: Unternehmen neigen dazu, sich selbst und ihre Taten übermäßig anzupreisen als „weltweit führend“, “bahnbrechend erfolgreich” oder „außergewöhnlich“, ohne hierfür ausreichend Beweise zu liefern.
Kein Wunder also, dass auch für Manager und Führungskräfte solcher Firmen klare Kommunikation selten großgeschrieben wird. “In diesem Bereich müssen wir noch stärker aufs Ganze setzen”. Aha. Und was meint der Herr Finanzvorstand nun konkret? Vage Begriffe und Füllphrasen stiften vielerorts mehr Verwirrung als Klarheit. Dies führt zu Missverständnissen bei den Mitarbeitern und ineffektiver Entscheidungsfindung.
Die Verbindung zwischen schlechter Gesprächsführung und wirtschaftlicher Inflation ist subtil, aber entscheidend. Wenn wir in der Kommunikation inflationäre Sprache verwenden, führt dies zu einer Abwertung der Bedeutung und Glaubwürdigkeit unserer Worte. Das Ergebnis: Geschäftsgespräche werden weniger effektiv geführt und Entscheidungen auf unsicherer Grundlage getroffen. Manchmal ist der Interpretationsraum von Aussagen so weit offen, dass nur falsche Annahmen gemacht werden können.
Beispiel: Das von oben ausgegebene Postulat: “Wir brauchen mehr Wertschätzung für unsere Produktentwickler!” kann so verstanden werden, dass hier schleunigst personell aufgestockt werden muss, da die Truppe bereits am Zahnfleisch schuftet. Der Interpretationsspielraum lässt aber ebenfalls die Annahme zu, dass diese Leutchen besser entlohnt oder im banalsten Fall “in die Sichtbarkeit” gerückt werden sollen. Da langt es, die Führenden im Geschäftsbericht namentlich zu nennen.
Schlechte Gesprächsführung führt zu Fehlkommunikation, was die Produktivität und Effizienz messbar beeinträchtigen kann.
Der Weg von Quantität zu Qualität in der Kommunikation
Um die Inflation in der Kommunikation zu bekämpfen und die Qualität in den Vordergrund zu stellen, sind einige Faktoren erforderlich: Präzision und Klarheit!
Gedanken und Ideen brauchen stets ein klares Handlungselement oder eine Conclusio, damit der Gesprächspartner weiß, was konkret zu veranlassen ist.
Der Beispielsatz von oben samt “Call to action” hört sich dann völlig anders an: “Wir brauchen mehr Wertschätzung für unsere Produktentwickler und deshalb möchte ich beim nächsten Jahrestreffen dieser Abteilung einen eigenen Slot auf der Bühne sichern. Unsere Produktentwickler sollen allen im Unternehmen präsentieren, woran sie gerade arbeiten.”
Den ESP durch Sprache wecken – Emotionen sind nie inflationär
Seit der Antike geht es um Gefühle: Liebe, Eifersucht, Angst, Hass, … Obgleich wir von Prozentwerten, Zahlen, Daten und Fakten umgeben sind und diese auch für inhaltliche Überzeugung sorgen können, sind es doch immer Emotionen, die uns Menschen erreichen. Während die Unique Selling Proposition (USP), also das Alleinstellungsmerkmal, nach wie vor einen wichtigen Platz im Marketing hat, gewinnt die Emotional Selling Proposition (ESP) zunehmend an Bedeutung. Kunden treffen nicht nur rational basierte Kaufentscheidungen, sondern sehnen sich auch nach Gefühlen, Erlebnissen und Verbindungen. Die Fähigkeit eines Unternehmens, den emotionalen Nutzen für Kunden zu betonen und gleichzeitig eine starke Bindung aufzubauen, kann den Unterschied zwischen einem zufriedenen Kunden und einem loyalen Botschafter für die Marke ausmachen.
Daher lohnt es sich, selbst bei internen Besprechungen und Change-Prozessen sprachlich bildhaft zu formulieren und die Emotionen der Kollegen anzusprechen. Zu viel Schmalz ist peinlich. Klar! Aber in den meisten Fällen sprechen Menschen vom eigenen Nabel weg und überlegen sich zu wenig, wie die Worte beim Gegenüber ankommen. “Vivid Imagery” ist eine Technik, um Kino in den Köpfen der Menschen entstehen zu lassen und damit den Buchstabenwald der Worte zu verlassen. “Wir brauchen 5% mehr Umsatz. Bitte findet neue Geschäftsfelder” klingt zwar verständlich, aber wie sollen das die Mitarbeiter angehen? Besser: “Während der Mitbewerb von “Marktsättigung” spricht, wissen wir, dass es keine satten Märkte, sondern nur satte Manager gibt. Jeder von Euch kommt deshalb mit seiner Akquisitionsidee zu mir! Keine Idee ist zu nischig und jede wert, gehört zu werden.”
Rhetorik: Die Kunst, lautlos gehört zu werden
Was wir sprachlich von der Werbung lernen können, sind bildhafte Sager und prägnante Kernbotschaften. Hier kann uns sogar ChatGPT eine Hilfe sein.
Manchmal rütteln wir das Gegenüber am besten mit einem Paradoxon auf: „Sprich, um zu schweigen, und schweige, um zu sprechen.“ Doch Vorsicht! Knackige Sprüche haben nichts mit einfältiger Kalenderliteratur zu tun. Die Grenze ist unscharf.
Der Satz: “Die Kunst der Rhetorik liegt im sorgfältigen Schweigen.“ kann an einem Themenabend eine perfekte Abrundung sein. In einer anderen Redesituation wirkt er schlicht platt. Zielgruppenadäquate Gesprächsführung heißt das Zauberwort.
Fazit: Inflationärer Sprachgebrauch und Worthülsen überzeugen nie. Im Gewürzschrank des guten Rhetorikers finden sich deshalb gelungene Analogien und zielgruppenadaptierte Emotionsbilder.