Die Menschen, mit denen wir uns umgeben, haben einen starken Einfluss auf uns – sowohl auf unsere Einstellung als auch auf unser Verhalten. Es ist deshalb nicht egal, mit wem wir unsere sozialen Beziehungen pflegen. Viele Tipps, Redewendungen und Sichtweisen übertragen sich auf uns: “Wie der Vater so der Sohn!” Na, Gott sei Dank nicht! Sonst wären unsere Männer alle noch Mammutjäger.
Es ist fein, dass wir ständig dazu lernen, aber leicht übernehmen wir auch Meinungen ungeprüft und zerstäuben Betrachtungsweisen wie Grippebakterien. Medien sind diesbezüglich die besten Virenschleudern. Jedes Blatt hat schließlich eine Blattlinie und hinter jeder Geschichte steckt eine Absicht. Studien und Umfrageergebnisse fallen nicht vom Himmel, sondern jede einzelne hat einen konkreten Auftraggeber und der eine klare (oft finanzielle) Absicht. Dazu kommt, dass die Kuckuckszitate in den letzten Jahren immer mehr werden. Darunter versteht man Bonmonts und Aussagen, die jemanden untergeschoben werden, der oder die das nie geäußert hat. „Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“ zum Beispiel. Dieses angebliche Albert-Einstein-Zitat tauchte 1981 bei einer US-Selbsthilfegruppe für Drogenabhängige auf. Erst 1990 wurde es dem Physiker zugeschrieben1.
Überlege Dir daher genau, von wem Du Werteeinstellungen übernimmst und wessen Meinung Du Dich anschließt! Dieser „Abfärbe-Effekt“ kann auf verschiedene Weisen unser Leben beeinflussen:
1. Sprache und Ausdrucksweise: Unsere Art zu sprechen und die Begriffe, die wir verwenden, werden stark von unserem sozialen Umfeld geprägt. “Heast, Oida spinnst?” lässt auf eine andere soziale Schicht schließen als “Das ist ja gottlos!” Wenn wir viel Zeit mit jemandem verbringen, übernehmen wir oft unbewusst dieselben Redewendungen und mit den Sprachmustern auch Denkgewohnheiten. Atomkraftwerk-Gegner verwenden den emotional aufgeladenen Begriff “Atomkraft”, wogegen Befürworter den technischen Terminus “Kernkraftwerk” wählen. Dahinter liegt bereits hörbar ein unterschiedlicher Spin.
2. Werte und Einstellungen: Die Überzeugungen und Wertvorstellungen unserer Mitmenschen formen oft subkutan unsere eigenen Ansichten. Es ist wichtig, dass Du Dir immer wieder selbst bewusst machst, wessen Werte Du vertrittst und welche Einflüsse vor allem mit Deinem Umfeld übereinstimmen. “Personalrationalisierung” versus “schlanke Firmenführung” verrät bereits, ob der Artikel von der Arbeiterkammer oder von der Wirtschaftskammer verfasst wurde.
3. Verhalten und Gewohnheiten: Unser Verhalten wird ebenfalls durch unsere sozialen und medialen Einflüsse geprägt. Viele aus dem letzten Jahrtausend sind noch mit der Leistungsmaxime “von nix kommt nix” aufgewachsen und selbst in der BAWAG-Werbung wurden sprichwörtlich die “Ärmel hochgekrempelt”, denn man zeigte sich gerne “tatkräftig”. Heute läuft das Wort “fleißig” völlig ins Leere. Hätte sich die Nachkriegsgeneration im modernen “chillen” geübt, dann wären die Wirtschaftswunderjahre wohl ausgefallen. Heute empfiehlt man uns hingegen bereits in der TV-Werbung bei MÖMAX, dass wir lieber mal “chillen” sollen.
Vorbilder, Peers und Identifikationsikonen funktionieren immer positiv als auch negativ. Deshalb ist der Freundeskreis unserer Kinder als Einfluss-Faktor stets im Auge zu behalten. Manchmal erleben Eltern durch ehrgeizige Freunde den Abfärbe-Effekt am eigenen Fortplanz. Wie oft mussten sie früher reden “lerne rechtzeitig!”, “steh früher auf und richte Deine Sachen her!” und durch eine ambitionierte und organisierte Freundin, kommt Herr Sohn plötzlich in die Gänge.
4. Emotionale Zustände: Die Stimmungen und Emotionen der Menschen um uns herum können ebenfalls auf uns abfärben. Ein positiver, unterstützender Freundeskreis kann unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit steigern, während ein negatives Umfeld das Gegenteil bewirkt. Toxische Beziehungen eingeschlossen!
Es ist daher entscheidend, sich bewusst zu machen, mit wem man seine Zeit verbringt. Hier sind einige Tipps, um den Einfluss des sozialen Umfelds positiv zu gestalten:
- Reflexion: Überlege Dir regelmäßig, welche Personen in Deinem Umfeld einen positiven oder negativen Einfluss auf Dich haben.
- Grenzen setzen: Schütze Dich vor negativen Einflüssen, indem Du klare Grenzen setzt und den Kontakt zu Menschen reduzierst, die Dir nicht gut tun.
- Inspiration suchen: Suche aktiv nach Menschen, die Dich inspirieren und die Eigenschaften besitzen, die Du selbst entwickeln möchtest.
- Authentizität bewahren: Mache Dir bewusst, wessen Meinung Du nicht teilst und warum Du Deinen eigenen Argumenten mehr abgewinnen kannst.
Fazit: Der „Abfärbe-Effekt“ beeinflusst uns und nicht jede neue Begegnung garantiert Inspiration. Letztlich liegt es in Deiner eigenen Verantwortung, Dein soziales Umfeld so zu gestalten, dass Vielfalt gegeben ist und Du Dir regelmäßig bewusst machst, wessen Meinung Du warum teilst.
1 https://www.falter.at/zeitung/20220608/wie-entlarven-sie-kuckuckszitate-herr-krieghofer, Stand 16.07.2024