Der schöne Schein der Bewerbung: Zwischen Hochglanz und Herzblut

29. Oktober 2025 von Tatjana Lackner, MBA

Viele Menschen habe ich schon auf Hearings und Bewerbungssituationen vorbereitet und mich mit ihnen gefreut, wenn die neue Position bzw. der nächste Karriereschritt erreicht wurde.

Dennoch: Bewerbungen sind die wohl höflichste Form der Camouflage. In ein paar Zeilen Word-Standardformat sollen wir die makellose Version von uns selbst pressen; eine Art berufliches Speed-Dating in Tabellenform. Fünf Zeilen, ein Foto, ein bisschen Excel-Zauberei, und schon tun wir so, als hätten wir nie gezweifelt, nie versagt, nie nachts betrunken vor einer Deadline gezittert.

Doch die Wahrheit liegt woanders. Sie liegt in den Kaffeeflecken, in den Herzschmerzen, in den gescheiterten Projekten, die wir niemandem erzählen. Eigentlich müsste unser Lebenslauf weniger wie eine Bewerbung aussehen und vielmehr wie ein Romanfragment: chaotisch, voller Brüche, aber ehrlich. Denn genau dort, in den Narben und Fehltritten, entstehen unsere größten Kompetenzen.

Statt Uniabschlüssen und Zeugnissen sollten wir vielleicht unsere Geschichten verschicken:

2018: Herz verloren, Start-up an die Wand gefahren, aber gelernt, was Loyalität bedeutet.

2020: Zum ersten Mal ernsthaft Nein gesagt; das war damals ein größerer Sieg als jede Gehaltserhöhung.

2022: Krankheit überstanden, gelernt, dass Resilienz nicht im Insta-Coaching wächst, sondern im Alltag.

In den letzten Jahren habe ich verstärkt festgestellt, dass Menschen zudem recht wenig Kenntnisse zu ihrem eigenen Lebenslauf besitzen.

Zuerst gleicht mein Coaching stets der Arbeit eines Archäologen. Wir sichten gemeinsam die vergrabenen Kompetenzen und heben den erzählenswerten Schatz behutsam ans Licht. Wie bei einer Collage ordnen wir die Meilensteine, gedanklichen Notizen, Fotos, Erlebnisse, Wendepunkte im Denken und Firmenlogos ehemaliger Arbeitgeber:innen oder Ausbildungsstätten auf dem Tisch. Das ist für Bewerber:innen oft eine recht wohltuende Biografiearbeit. Plötzlich erkennen sie wieder, welches Ich sie eigentlich von sich präsentieren wollen und schon klingen Bewerber:innen überzeugender, weil sie auch selbst überzeugter sind von sich und ihren Lebenskilometern.

Daraus ergeben sich feine Storytelling-Elemente, die im Hearing oder im Job-Interview den entscheidenden Unterschied zu anderen machen. Warum? Weil diese Erzählsequenzen nicht austauschbar, sondern authentisch sind und mit den eigenen Lebensdaten belegbar.

Mein Bewerbungs-Coaching bereitet aber auch darauf vor, einer potenziellen neuen Firma sympathisch, aber engagiert auf den Zahn zu fühlen. Denn: Arbeitgeber:innen schummeln bei Erstgesprächen ebenfalls. Der neue Job wird in leuchtenden Farben geschildert und in einem halben Jahr stellt sich der neue Arbeitsplatz oftmals ernüchternd anders dar.

Mein Coachingtipp: Erstelle Deinen Lebenslauf als Playlist! Jedes Kapitel bekommt einen Songtitel als Überschrift. So lernst Du Lebensabschnitte zu clustern, Themen und Interessen zuzuordnen und Du verzagst nicht an der tabellarischen CV-Form der Standardbewerbung.

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