Der Tschopperlmarkt

22. Oktober 2021 von Tatjana Lackner, MBA

Wer aktuell Mitarbeiter für unterschiedliche Aufgabenbereiche sucht – beispielsweise Office Manager (m/w) oder eine Assistenz der Geschäftsführung – der muss gute Nerven haben. Zum einen gibt es deutlich mehr offene Stellen als adäquate Bewerber und zum anderen klaffen die Vorstellungen auf dem Arbeitsmarkt – ausgerechnet post Corona – spürbar auseinander. 

Chefs auf der einen Seite wünschen sich arbeitswillige Menschen, die “ready to work” in den Betrieb kommen und sich lieber erst unverzichtbar machen, bevor sie den Forderungskatalog auspacken. 

Arbeitnehmer auf der anderen Seite haben in den letzten 24 Monaten durch Covid eine Art Weckruf für die eigene Lebensgestaltung erfahren. Die Karrieristen sind mittlerweile eher unter den Selbständigen zu finden. Trotz zweier Lockdowns und vieler Stunden daheim ersehnen sich manche Dienstnehmer auch weiterhin mehr Freizeit. 

Es schrillen auf beiden Seiten des Jobmarktes recht unterschiedliche Glocken.  

Aus der Unternehmerbrille: Den eigenen Laden für die Digitalisierung fit machen kostet Geld, parallel gilt es Mitarbeiter zu motivieren aus dem Homeoffice retour an die Arbeitsplätze zu kommen – und zwar in gleichem Umfang – lächelnd, und in die Hände spuckend. 

Im Zentrum stehen immer die Kunden. Denen gilt es zu versichern, dass behördliche Gesundheitsauflagen erfüllt werden. Auch dafür mussten KMUs und Gewerbetreibende bereits vor Monaten Geld in die Hand nehmen.  

Der Jobmarkt fühlt sich gespalten an. Unerwartet laufen die Interessenslinien auseinander. Während viele Arbeitnehmer daran erinnert wurden, dass sie sterblich sind, und nun ihr Stück vom Kuchen möchten, hoffen Dienstgeber darauf, gemeinsam mit der eigenen Mannschaft – zu der gerne auch Frauen gehören – wenigstens einen kleinen Teil der entstandenen Verluste wieder reinzuholen. 

Chefs sind erstmals in der deutlich schlechteren Position, denn sie brauchen loyale Mitarbeiter, um für die nächsten Jahre Planungssicherheit zu haben. Dienstnehmer hingegen haben durch die Pandemie gelernt, dass weniger arbeiten auch nicht unbedingt ärmer macht und der Reichtum der Freizeit ohnedies unbezahlbar bleibt. 

Neben diesem Interessenkonflikt bohrt der Fachkräftemangel seit Jahrzehnten wie ein Stachel in der Wunde der Arbeitspolitik. Die lahmt und verwandelt den krisengeschüttelten Jobmarkt in einen Tschopperlmarkt, auf dem es sowohl an klaren Konzepten fehlt als auch an sinnvollen arbeitspolitischen Rahmenbedingungen. Der polnische Schriftsteller  Wiesław Brudziński hatte recht: “Die kleineren Übel sind meist von längerer Dauer. 

Stattdessen geht es beim Thema Arbeit auch noch parteipolitisch irrwitzig zu: Während die Sozialdemokratie Euro 1.700, — brutto Minimum allerorts und für jederfrau fordert, sind sich Wirtschaftskammer und Arbeitgebervertreter einig, dass unser Land damit endgültig nicht mehr zu bewirtschaften wäre. Nur zum Vergleich: Selbst für finanziell besser gestellte Angestellte des „allgemeinen Gewerbes“ liegt der Kollektivvertrag bei Euro 1.541, –. Von den untersten Bezügen der Arbeiter ist da vergleichsweise noch gar nicht die Rede. 

Und als ob das alles noch nicht genug wäre, stehen einander Arbeitsmoral und Generationen ebenfalls recht unversöhnlich gegenüber. Wer begibt sich heute noch auf “die Walz”? Wie viele sind in den “Lehr- und Wanderjahren” derzeit bereit “reinzubeißen” und auch dann zu arbeiten, wenn es gerade nicht nur Spaß macht? 

Baby Boomer, Gen X, Y und Z trennt die jeweilige Arbeitsvorstellung. 

Fazit: Der Jobmarkt verkommt zum Tschopperlmarkt, auf dem das Arbeitsplatz-Memory sich aktuell nicht in Wohlgefallen auflöst. Es scheint eben nicht für jede ausgeschriebene Stelle einen passenden Kandidaten zu geben. 

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