In der Rhetorik tummeln sich populistische Effekt-Rhetoriker neben achtsamen Aufmerksamkeitsaposteln, die lieber Haarspalterei betreiben und Themen im Kleinen beleuchten, als etwas allgemeingültig zu formulieren. Beides kann lähmen.
Warnende Schwurbler stoßen sich an staubtrockenen Faktenreitern, daneben schütteln mahnenden Moralisten den Kopf über laute Dramaqueens und hüten sich vor der Sogwirkung von redegewaltigen Populisten. Die leisen Esoteriker unter den Rednern manipulieren oft unbewusst mit irrationalen Manövern, gegen die rhetorisch nicht alle ankommen: “Herr Doktor, Sie haben von den Zahlen und Studien her bestimmt recht, aber mein Bauchgefühl sagt mir: Stopp!” Das ist effektvoll, denn in den Bauch des anderen dringt man mit vernünftigen Argumenten selten vor. Auch die berühmte “innere Stimme”, der sich manche hündisch ergeben fühlen, ist mit Ratio und klaren Begründungen nicht zu übertönen: “Liebe Frau Ärztin Zahnweiß, Sie haben gute Gründe gebracht, aber eine innere Stimme rät mir ab.” Bei Aussagen wie diesen, stehen manche am Ende ihres Lateins. Schließlich will man niemanden gegen seinen Willen zum Glück und der damit verbundenen Gesundheitsmaßnahme zwingen. Quacksalber und Bauchladenredner gibt es ohnehin immer noch genug.
Und man kann sie hören: Wer im Business verkaufen will, spricht eher “salesy” und hofft, durch Namedropping und statusrelevante Events zu beeindrucken.
Die Bodenständigen hingegen präsentieren ihre “griabigen” Regionaldialekte als authentisches Gut und halten grammatikalische Holprigkeiten und Fallfehler für schlagende Beweise ihrer Ehrlichkeit. Überspannte Urbanisten fallen darauf leicht herein, als ob man im Dialekt nicht lügen könnte?
Das Gegenteil vom Gegenteil ist eben nicht das Gegenteil, sondern: Das Gleiche oder etwas Ähnliches – niemals jedoch dasselbe!
Erkenntnis: Anything goes auf den Redner-Bühnen, Panels, in Talks und auf den soften Sofas der TV-Studios.
Was hilft? Manchen Menschen können wir mit ständig neuen Argumenten nicht erreichen. Deshalb empfehle ich bei hartnäckigen Recken, lieber von deren Erlebnishorizont weg die rhetorische Reise zu starten und in die “Belly-Button-Methode“ einzuschwingen. Der Belly Button ist der Bauchnabel auf Englisch und diese rhetorische Raffinesse arbeitet vom Nabel des anderen weg. Damit holen wir das Gegenüber aus dem Zentrum seiner Aussage ab und zeigen auf, dass sein vorgeschlagener Argumentationsweg möglicherweise in die Sackgasse führt.
Beispiel:
“Frau Maier, wenn wir Ihrer “inneren Stimme” jetzt vertrauen, dann bedeutet das, wir unternehmen nichts. Das könnte in bereits drei Wochen zur Folge haben, dass wir uns mit Ihrem Zahnfleisch in einem ganz anderen prekären Stadium befinden, wo Zahnseide nicht mehr ausreicht. Deshalb würde ich die wichtige “innere Stimme” nicht mit dem faulen, daneben liegenden, “inneren Schweinehund” verwechseln und jetzt handeln.”
Diese Methode eignet sich bei allen oben genannten und liebevoll überzeichneten Redetypen. Das Panoptikum ist diesbezüglich riesig.
Nicht jedem Typus können wir da auf die gleiche Weise kommen, aber für unsere bereits eingeführten Charaktere gelingt die Gegenrede durch die Belly-Button-Methode leicht:
- Die populistische Effekt-Rhetorikerin sagt: “Alle sollen in der Stadt E-Roller fahren. Das spart Zeit, Ressourcen und man braucht keine Vorkenntnisse.”
“Okay, wenn alle E-Roller fahren, dann stehen noch viel mehr Geräte auf unseren Gehsteigen und Straßen, weil sie abgestellt wurden. Wie erklären wir Müttern mit Kinderwägen, Gehbeeinträchtigten und Blinden diesen neuen Hindernislauf?”
- Der mahnende Moralist meint: “Menschen, die Geld haben sind charakterlich fragwürdig.”
“Du sagst also, dass Menschen mit Geld den schlechteren und damit Arme den besseren Charakter haben. Schlechtverdiener sind Deiner Ansicht nach frei von Lügen, Betrug und kriminellen Handlungen? Wie erklärst Du Dir dann …. ?”
Der bodenständige Paul sagt: “Mia san alle in der Familie in der Landwirtschaft. Und da Bua braucht ned studieren fahren.”
“Paul, du hättest also lieber, dass Dein Sohn auch am Hof arbeitet. Wenn Du ihn jetzt nicht frei lässt, verlierst Du ihn vielleicht für immer. Auf der anderen Seite kommt er möglicherweise gerne zurück und sein Wirtschaftsstudium würde Dir den Hof auf ein neues Level heben.”
Fazit: Versuche bei der nächsten Besprechung die “Belly-Button-Methode“ und starte vom Argument des Gesprächspartners weg. Du wirst erleben, dass die Aufmerksamkeit deutlich höher ist, weil sich das Vis-à-vis inhaltlich und thematisch besser abgeholt fühlt.