“Ehrenmann/Ehrenfrau” soll das Jugendwort 2018 sein?
Ja, aber nur wenn es nach dem Langenscheidt Verlag geht. Hier scheint – um einmal mehr – der massive Unterschied zwischen Deutschland und Österreich aufzupoppen. Denn: Die Hälfte der eingereichten Begriffe verwendet man in unserem Land schlicht nicht.
Eine “Jury” hat angeblich aus den Top 10 Online-Votings des Verlages gewählt:
1. verbuggt (voller Fehler, falsch gestrickt, Beispiel: Du bist so verbuggt, du nervst!)
2. glucose-haltig (süß)
3. Ehrenmann/Ehrenfrau (Gentleman, Lady, jemand, der etwas Besonderes für dich tut)
4. Lauch (Trottel)
5. Auf dein Nacken! (Du zahlst!)
6. AF, as fuck (Betonung, wie besonders etwas ist, Beispiel: Die neue Staffel ist sick as fuck!)
7. sheeeesh (Wirklich? Echt jetzt? Nicht dein Ernst?!)
8. Ich küss dein Auge (Ich hab’ dich gern oder ein sehr starkes Danke)
9. Snackosaurus (verfressener Mensch)
10. lindnern (lieber etwas gar nicht machen, als etwas schlecht machen)
Die Newsletter Redaktion hat bei Tatjana Lackner nachgefragt:
Newsletter Redaktion:
“Tatjana, Du lehrst an sieben Universitäten und FHs. Damit bist Du laufend von jungen Menschen umgeben. Welche Ausdrücke der umstrittenen “Langenscheidt-Liste” hast Du selbst schon gehört?”
Tatjana:
“Sheeeesh” hab’ ich von meiner eigenen Tochter und ihren Freunden schon vor mehr als 15 Jahren gehört. Das Wort ist nicht neu oder es erlebt eine Renaissance. “Lauch” kenne ich nur von deutschen Studenten. Den Rest der Langenscheidt-Liste finde ich unterschiedlich originell, aber hierzulande wenig geläufig.”
Newsletter Redaktion:
“Wie würde Deine Liste aussehen?
Tatjana:
“An den Unis und in Schulen erlebe ich wesentlich mehr Netzjargon und “denglische” Kreationen, wie beispielsweise “geprankt” (veräppelt) oder “tight” (großartig). “Cringy” hingegen wird verwendet um peinliche Situationen zu beschreiben. Kürzlich wurde mir erklärt, warum zwei meiner Studenten angeblich nicht zusammenpassen: weil sie zu “upper crust” (Hautevolee) ist und er zu “street” (Hip-Hop Skater).
Wenn ich Hausübungen aufgebe, dann höre ich noch: “What the!” (Ausruf für: What the fuck!). Bossy Studenten werden von anderen ermahnt nicht zu “darthvadern” (nicht den Vater/ Boss raushängen lassen).
Ich musste mich erst schlau machen, warum meinen Vorlesungen oft als “lit” oder “lan” gehandelt wurden. Beides bedeutet “cool” oder “krass” und ist ein Kompliment.
Newsletter Redaktion:
“Sprache verändert sich und wir gewinnen immer neue Wörter dazu.”
Tatjana:
„Ja. Gleichzeitig verlieren wir jedoch Redewendungen. Schade deshalb, dass es kein “Seniorenwort des Jahres” gibt, denn Begriffe sterben aus. “Das kannst du dir einrexen” beispielsweise bedeutet: “das kannst Du Dir behalten.” Die Generation Z erlebt uns kaum mehr beim Einkochen und kennt demnach keine Rexgläser. Sie könnte sich diese Redewendung nicht einmal herleiten. Ich hab’ das live erlebt: “Hat das mit dem T-Rex zu tun oder kommt das vom “Kommissar Rex” und bedeutet jemandem etwas zu klauen?”
Newsletter Redaktion:
„Ehrenmann/Ehrenfrau ist das Jugendwort des Jahres 2018 für Deutschland. Gibt es auch schon eines für Österreich?“
Tatjana:
„Ja, das kennen wir auch schon: „Oida“. Komisch daran ist allerdings, dass jeder, der in den letzten 100 Jahren das Wienerische beobachtet, diesen Begriff längst kennt. Schon Peter Wehle hat 1980 in seinem „Sprechen Sie Wienerisch?“ dieses Wort gelistet. Ganz neu ist es also nicht. Und die österreichische Sprache hat sich offenbar nur insofern geändert, dass sie sich nicht geändert hat.“ (lacht)
Fazit: Sprache ist immer in Bewegung. Sprachlich virtuos sind Menschen, die neue Ausdrücke erobern und gleichzeitig aussterbende Redewendungen noch verstehen.