Gäste brüskiert man nicht

16. August 2019 von Tatjana Lackner, MBA

Tobias Pötzelsberger: Der Sommer des neuen ORF-Anchor

Tobias Pötzelsberger hat eine gewinnende Art und gilt als Entdeckung in der “politischen Königsdisziplin” Zeit im Bild. Sechs Stunden moderierte er am 18. Mai durch – in den hitzigen Stunden, in denen Strache der Ibiza Urlaub von vor zwei Jahren zum Verhängnis wurde. Dabei arbeitet der “Newcomer” schon seit 2004 beim ORF. Was die Frage aufwirft, warum man ihn bisher in Salzburg versteckt hat?

Sein USP: Das neue TV-Gesicht garantiert eine positive Abwechslung zur selbstgefälligen oder angestrengten Attitude manch anderer ORF-Kollegen. Pötzelsberger beweist, dass man Interviews auch ohne Brüskieren des Gesprächspartners führen und den Live-Gast sogar als Gast behandeln kann. Es ist wohltuend, dass er immer wieder Nenner sichert und für Zuseher Inhalte klar zusammenfasst.

Manchmal lächelt er leicht süffisant, dann flirten er wieder was das Zeug hält. Seine Mimik setzt er grosso modo gekonnt ein. Sein Innviertler Lokalkolorit klingt charmant und ein sanfter Schmelz aus den 1950er Jahren flackert auf, wenn er das “R” rollt, wie einst Josef Meinrad.

Stimmlich stellte auch die gelernte Schauspielerin Maria Stern Pötzelsberger nicht in den Schatten. Für beide waren die “Sommergesprächen” ein Debut. Eingeschaltet haben jedoch viele seinetwegen. Der Fokus lag erstmals auf dem Moderator, nicht auf dem Gast.

Ruhig, besonnen und Zuseher orientiert gelingen ihm Themenwechsel. Für den weiteren Programmausblick meistert er Zwischenmoderationen souverän, von den Sommergesprächen in Wien-Liesing zurück ins Studio zu Thür oder Wolf. Dorthin, wo sogar zwischen den Kollegen angeblich dicke Luft herrscht.

Zugegeben, vielleicht wurde der neue ORF-Anchor für die Sommergespräche eine Spur zu stark gehypt, um als glamouröser Star vom Sendeplatz zu gehen.

Im Gespräch mit der Neos Chefin wirkte Pötzelsberger nur vordergründig harmlos. Gerade seine unaufgeregten Paraphrasen hatten es in sich. Die sonst recht unerschrockene Beate Meinl-Reisinger begann inhaltlich ordentlich zu schwimmen. Nachgefragt, woher das Geld für die “Finanzierung der pinken Vorschläge” kommen sollte, ruderte sie verbal im Trockenen – bevor die ersten Tropfen im Gartenstudio fielen. Selbst die regenbedingte Live-Übersiedlung, von draußen nach drinnen, gelang Pötzelsberger völlig unverkrampft. 1987 musste bereits Peter Rabl ein Sommergespräch wetterbedingt unterbrechen – damals war er im Gespräch mit Freda Meissner-Blau.

Fazit: Die Interviews waren bislang nie peinlich oder rechthaberisch, sondern eher aus dem Kinder-Ich des Moderators geführt und dennoch alles andere als naiv.

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