Das Weltklima erwärmt sich, die Gesprächsatmosphäre erkaltet
Der Klimawandel und die Gesprächsklima haben einiges gemeinsam. Während sich die Luft an der Erdoberfläche erkennbar erwärmt, werden in den Besprechungsräumen die Heiße-Luft-Redner mehr.
“Weißt eh, ich mein’ … du siehst es ja selber, wie es ist. Wir haben für heuer wenig Spielraum, ähm, … ich mein’ jetzt, in finanzieller Hinsicht. Was soll ich dir sagen? Es ist halt, wie es ist. Wie heißt es so schön? Es kann nur besser werden ...”
Das war kein Stotterer, sondern diese Gesprächspassage ist aus einem Meeting mit Führungskräften entnommen.
Wir leben in einer Zeit in der jeder “etwas gesagt haben muss”, damit er sich im Bürgerjournalismus wichtig fühlt. Egal, ob schriftlich oder mündlich; selten wurden so viele Worte ums eigene Ego gemacht. Postings, Hashtags und “gute Ratschläge” gibt es gratis an jeder Ecke. Gedanken steigen auf und werden sofort verwertet. Im Netz lautet die ungeschriebene Devise: “Poste sofort, denke später!”
Interessant dabei ist, dass es kaum um “Smalltalk” geht, mit anderen ins Gespräch zu kommen oder kleine süße Momente zu schenken. Vielmehr ist “Ego-Talk” vernehmbar: “Na, ich bin ja eher jemand der seinen Kaffee schwarz trinkt. Die Milch tut mir nicht gut. Aber das ist überhaupt bei mir so. Vieles was andere konsumieren ohne nachzudenken, vertrag’ ich nicht. Ich beobachte mich hier ganz genau.”
Durch Gespräche, die nur den eigenen Nabel im Fokus haben, verlieren wir gesellschaftlich den Draht zueinander. Wenn Konversation nur noch mit dem Ziel betrieben wird: “Wie hole ich aus jeder Gesprächssituation das Optimum für mich persönlich heraus?”, dann sind die vielgepriesenen Netzwerke wenig wert. “Ego-Talker” reden viel, sie sind jedoch dabei kaum kundenorientiert. Die Meetings mit ihnen kosten Lebenszeit, dem Unternehmen bringen sie allerdings wenig.
Dazu kommt, dass “geschäftige Gehetztheit” zum Markenzeichen wurde. Jemand, der beispielsweise im Bus nette Worte des Dankes murmelt, der wirkt schon schrullig. Normal ist hingegen geworden, dass sitzende Buskunden nur noch genervt ihre Knie zur Seite halten, anstatt schlicht für eine ältere Dame aufzustehen. Man gibt sich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Warteräumen vorsichtshalber lieber überspannt und “angespeist”, dann kann auch niemand etwas von einem wollen. “To be desperate” ist zum Lebensgefühl geworden. Die “Desperate Housewives” haben schon vor mehr als zehn Jahren diesbezüglich einen Zeitnerv getroffen.
Vor einigen Dekaden war die Erde noch kühler, aber die Menschen herzlicher miteinander. Heute ist es umgekehrt. Eine routinierte und “geschäftige Grundaggressivität” hat Einzug gehalten in unseren Begegnungszonen. Das Miteinander wird dadurch nicht kuscheliger.
Im Augenblick sieht es so aus, als wäre weder der globale noch der gesellschaftliche Klimawandel wirklich zu stoppen. Die Zeiten bleiben stürmisch und das auch deshalb, weil jeder Mensch mit ganz persönlichen Schicksalsschlägen völlig alleine umgeht.
Persönliche Katastrophen beschweren das Gemüt
Jeder von uns hat in der eigenen Biografie irgendwann mit kleineren und größeren Ausnahmezuständen zu kämpfen. An der Oberfläche müssen wir funktionieren, aber tief in uns drinnen toben “innere Monologe” und “Verteidigungsreden” oder “Vorwurfsarien”. Beim einen ist es ein Krebsbefund, der ihn aus der Bahn wirft, bei der anderen das irrwitzige Scheidungsdebakel. Wieder in einem anderen Wohnzimmer sitzt eine vom Schicksal und dem eigenen Selbstwert verlassene Seele, der man morgen im Bus die Verzweiflung nicht mehr ansehen wird. Jeder kämpft sein eigenes Waterloo, während wir am Telefon und in Gesprächen brav antworten: “Alles, wie immer” und “Danke, mir geht es auch gut”.
Würden wir beispielsweise in der U-Bahn “Virtual Holographic” Informationen über unseren Köpfen eingeblendet haben und lesen können, welcher Lebensbelastung die Menschen rund um uns ausgeliefert sind, dann gingen wir bestimmt behutsamer miteinander um. Wenn klar ist, dass die dicke Frau auf der Rolltreppe vor 3 Jahren ihren einzigen Sohn verloren hat und der blasse Teenager vor ihr kifft, weil er mit dem Mobbing in seiner Schule nicht klarkommt, dann würden wir die beiden vielleicht nicht anknurren, nur weil sie links auf der Rolltreppe stehen. Natürlich haben wir solche sensiblen Informationen nicht voneinander und deshalb halten wir unser eigenes Leben für einzelschicksalhaft, ungerecht und schwer.
Innere Monologe werden zu Problemschrauben
Obwohl wir gelernt haben, uns selbst kritisch zu betrachten und uns um Selbstreflexion im Leben bemühen, so ergreifen wir doch im Zweifelsfalle Partei für uns selbst und nicht für die kränkende Schwiegermutter, den unfairen Chef oder die selbstverliebte Freundin. Warum auch?
Könnte man unsere inneren Zwiegespräche vertonen und dann im Kommunikations-Coaching analysieren, dann würden wir schnell erkennen, wie oft wir nur auf unsere Annahmen reagieren und gar nicht auf das jeweilige Gegenüber.
Fazit: Der eigene Ergänzungsfilm wird zur Wahrheit und die Kommunikation verläuft krampfig. Ich erkenne im Coaching sofort, ob ein Kunde in der “Ich-Falle” sitzt. Ein Kommunikations-Profiling schafft Abhilfe und ist auch deshalb so entlarvend, weil der Rededuktus uns verrät. Für die meisten wirkt es wohltuend aus der “Ich-Falle” befreit zu werden und sich wieder mit der Welt zu verbinden, anstatt mit ihr zu hadern.