Mobbing an Schulen
Viele von uns haben Kinder. Und jeder war selbst einmal Schüler. Manche haben Mobbing als Jugendlichen erlebt, andere kennen Psychoterror vom Arbeitsplatz. Das Problem ist, sagt Kommunikations-Expertin Tatjana Lackner: “Während die Mobber ihre Taten längst vergessen haben, grübeln Gemobbte noch zwanzig Jahre später darüber nach, ob die Täter recht hatten. Selbstwertprobleme kommen manchmal aus dem Elternhaus, oft jedoch auch aus der Schulzeit.”
Die Signale sind nicht nur für Kinder anfangs uneindeutig. Schließlich will man auch als Erwachsener nicht paranoid wirken, obwohl man sich übergangen oder ausgebremst fühlt. Einige reden sich das Verhalten der Kollegen selber schön und reflektieren zu spät. Wo verläuft die Grenze zwischen: “Jemand hat mir Informationen vorenthalten” und “Diese Person wollte mich damit vorsätzlich schädigen”?
Akteure im Mobbingprozess
Im September startet wieder ein Schuljahr. Bewertet werden dann nicht nur die Lernleistungen der Kinder, sondern auch die neuen Lehrer, Mitschüler und deren Eltern. Es wird nicht lange dauern, bis sich die ersten Grüppchen bilden. Bald schon werden sich einzelne gegen andere verschwören. “Es gibt fünf klassische Akteure im Mobbingprozess: Täter, Opfer, Mitläufer, Zuschauer und Wegschauer”, fasst Lackner zusammen.
Zwei geraten sich in die Haare. Der Schwächere wird zum Opfer und wird vom Täter ab sofort gepiesackt. Je nach Milieu, gibt es auch Täter, die ab Sekunde eins brüskieren und vorsätzlich fies sind. Ein Opfer findet sich schnell. “Häufig sind es äußerliche Merkmale, Verhaltenseigenschaften oder die Herkunft, die Grund genug sind, diesem Menschen das Leben zur Hölle zu machen”, betont Lackner. Beleidigungen coram publico vergrößern die Pein und senken auch für andere die Hemmschwelle mit dem Opfer respektlos umzugehen: “Bist du adoptiert worden, Du Aussätziger?”, “Du bist ja genauso fett, wie deine Mutter!”, “Durch geistige Spastis wie dich werden wir hier zur Integrationsklasse!” Wer vor anderen verbal entwertet wurde, der hat es schwerer, respektvolle Behandlung zu erfahren. Häufig wird diese Person sogar gemieden, weil sich zuvor alle “beim Zuschauen und Nichts tun” kollektiv schuldig gemacht haben.
Interessant ist dabei auch, dass viele Täter einst gemobbte Opfer waren. Klar, dass manche Geschädigte durch falsche Reaktionen ihrerseits auch noch Öl ins Feuer gießen.
Österreichs traurige Schulbilanz
Laut OSCE-Studie liegt Österreich auf dem traurigen dritten Platz, was die weltweite Häufigkeit der Mobbing-Attacken angeht. “Wir erleben, dass sich Kinder, die schlagfertig und rhetorisch fit sind, weniger gefallen lassen müssen”, berichtet Tatjana Lackner, Chefin der Schule des Sprechens. “Eltern wollen ihre Kinder fördern und schicken sie zu uns, um vorwissenschaftliche Arbeiten oder Referate vorzubereiten. Oft wissen sie gar nichts von den Mobbingproblemen, mit denen sich ihre Kinder quälen”, erzählt Lackner.
Die Schule ist ein eigenes Biotop. Für viele ist die Pubertät die schlimmste Zeit. “Täter und Opfer sind umgeben von Mitläufern, die den Täter unterstützen. Gerne mobben sie auch selbst mal, mobben und halten den Konflikt am Laufen. Ihr Ziel: Macht ausüben und sich selbst profilieren. Manch ein Mitläufer buhlt selbst um die Gunst des Täters und kämpft darum, in der Peergroup gemocht zu werden.”
Neben diesen Akteuren gibt es zwei weitere Gruppierungen, die im Klassenverband Bedeutung haben: “Zuschauer” und “Wegschauer”.
Mobbing als Klassensoap
Zuschauer billigen das Verhalten des Täters und seiner Gefolgschaft. Sie stacheln manche Mitglieder sogar auf, indem sie ihnen Beobachtungen rund um das Opferverhalten oder Konflikte von Nebenschauplätzen zutragen: “Hast Du gesehen, was sie heute wieder gemacht hat?” oder “Weißt Du, dass er heute über dich geredet hat?”
Solchen Zaungästen geht es um die Sensationsgier und das soziale Event im lahmen Schulalltag. Endlich tut sich etwas in der Federpenal-Telenovela. Wenn sich das Opfer ihrer Meinung nach ungebührend gewehrt oder gebärdet hat, dann erzählen sie das weiter und erlangen als Info-Trader für kurze Zeit selbst fragwürdige “Prominenz”. Daneben gibt es noch die Gruppe der “Wegschauer”. Sie sind möglicherweise angewidert von der Auseinandersetzung an sich oder von beiden, dem Opfer und dem Täter. Einige goutieren den Konflikt zwar nicht, doch sie schauen gezielt weg. Sie wollen nicht Teil des Problems werden: “Bitte lasst mich mit eurem Krampf in Ruhe, ich halten mich hier raus”. Bestimmt gibt es darunter einige, die das Mobben ignorieren oder sich schlicht nicht dafür interessieren.
Gute Redner werden seltener gemobbt
Kinder sind heute auch in ihrer Charakterbildung früher dran: “Persönlichkeitsentwicklung findet nicht erst an der Uni statt. Je früher Kinder lernen sich rhetorisch zu wehren und offen mit ihren Schwächen umzugehen, umso friktionsfreier wird ihre Schulzeit.” ist Lackner überzeugt.
Das Beziehungsdreieck Lehrer-Schüler-Eltern ist für einen stringenten Informationsaustausch schon während des Schulalltages herausfordernd. Die Spirale der Kommunikation zieht weitere Kreise, wenn sich Eltern und Lehrer in den Konflikt einschalten. Selbstverständlich muss physische Gewalt augenblicklich unterbunden werden, aber fiese Diffamierungen innerhalb der Peergroup bekommt man schwerer über Dritte in den Griff. Selbst in einer guten Klassengemeinschaft gibt es Stars, Clowns und solche, die spürbar weniger populär sind, selbst wenn kein böses Wort fällt. Manche leiden unter ihrem Image in der Klasse ein halbes Schulleben lang.
Seit 25 Jahren besuchen Schüler, Lehrer und ganze Schulklassen die Schule des Sprechens in der Wiener Innenstadt. Die Empfehlung der Kommunikations-Expertin Lackner an die Eltern: “Kümmern Sie sich im heurigen Schuljahr nicht nur um Schulnoten, sondern vor allem um die Redesicherheit Ihres Kindes – das wird sowohl jetzt und im späteren Leben garantiert gebraucht! Warum? Die Nase vorne hat: wer Freude am Reden zeigt, deutlich artikuliert, brillant diskutiert und Konflikte gekonnt lösen lernt!”