15. März: Tag der Sprachlosigkeit
In den USA gibt es den National Dumbstruck Day. Der Tag der Sprachlosigkeit definiert Situationen, die uns schocken, verblüffen oder sonst wie “baffen”. Warum er ausgerechnet am gleichen Kalendertag (15. März) wie der “Weltverbrauchertag” ausgerufen wurde, bleibt unkommentiert.
Zeit, sich mal selber zu fragen, was uns überhaupt noch ohne Worte dastehen lässt – in einer Welt die sich an Superlative, Weltrekorde, Jahrhunderthochwasser, Flammeninfernos, Finanzkrisen & Co längst gewöhnt hat.
Bei mir sind es die kleinen stechenden Borniertheiten aus dem unmittelbaren Alltag. Kürzlich war ich bei einem Symposion eingeladen und konnte beobachten, wie gefangen Menschen in ihren eigenen gesellschaftlichen Werten und politischen Frames festkleben.
Die veranstalteten Vorträge waren abwechslungsreich und vielfältig. Bei den anschließenden Publikumsdiskussionen ging es manchem Fragesteller weniger darum Neues zu erfragen oder Missverständliches aufzuklären. Vielmehr ließen sich einige das Mikrofon reichen nur deshalb, um ihr eigenes Selbstkonzept bestätigen zu lassen. Von suggestivem Heischen bis Betteln um Zustimmung war alles dabei. “Sie meinen aber schon auch, dass …” oder “Ich bin davon überzeugt, dass xyz … und wollte nun von Ihnen wissen, ob sie das auch so sehen, wie ich?”
Die Vortragenden reagierten mal freundlich gelangweilt oder ausweichend lahm. Natürlich hat keiner der honorigen Redner gesagt: “Liebe Dame, das sehen Sie leider völlig falsch!” Man möchte schließlich zahlende Kunden nicht brüskieren.
Wenn dieselben Fragesteller – offensichtlich noch immer durch zu wenig Nektar für das eigene Weltbild gefüttert – dann sogar ohne Mikro nachsetzen und ihren geistigen Tiefflug wie eine Kamikaze-Attacke quer durch den Saal raus brüllen, dann bleibt einem fremdschämend der Mund offen.
Warum war ich sprachlos? Zum einen wollte auch ich vor dem fähigen Redner nicht den Eindruck erwecken, wir alle im Saal seien ähnlich dämlich wie die Dame mit und ohne Mikrofon. Schlimmer noch! Mir war klar, dass kollektives Schweigen in der Kommunikation stets als Zustimmung gewertet wird.
Fazit: Egal, ob Elternabend, Diskussionsforum, Fachkonferenz oder Familienbrunch – immer geht es darum, wie heftig sich die Wertedissonanz zwischen Menschen gestaltet. Sprachlos machen mich Personen, die es nicht schaffen die Grenzen ihrer beispielsweise politischen Frames zu überwinden. Kleinlichkeit im Geist? Ohne Worte.