Sprechstruktur: Das Seil, das hält, wenn alle Stricke reißen

12. Juli 2023 von Tatjana Lackner, MBA

Sprechen und Denken hängen eng zusammen. Ordnung brauchen beide. Charismatische Rhetoriker behalten Struktur UND die Stimmung im Auge.

Zuerst gilt es zu unterscheiden: Was sind Sprechstrukturen im Gegensatz zu Redefiguren? Rhetorische Stilmittel, wie beispielsweise die Alliteration gehören zu den Redefiguren. Bei der Alliteration wiederholt man den Anfangsbuchstaben bei jedem Wort. In der Literatur oder Werbung werden diese Elemente eingesetzt, um Texte rhythmischer und lautmalerischer klingen zu lassen: Müde Männer machen mich mürrisch.

In meinem Buch “Die Kommunikationsgesellschaft: Lackners Labor” finden interessierte Leser eine ganze Sammlung aus unterschiedlichen Redefiguren samt nachvollziehbaren Beispielen.

Sprechstrukturen hingegen organisieren unsere Inhalte und damit die Art und Weise, wie wir Botschaften vermitteln wollen. In Form von knappen Dreisätzen lassen sich Themen gut an Zuhörer reichen. Zudem ist es in der Wirtschaft oft wichtig, die zeitliche Veränderung von Prozessen abzubilden. Für Pitches, Präsentationen, aber auch Podcasts, sind strukturierte Gedanken ebenso essenziell wie für Interviews oder Innovationstalks. Die folgenden sieben Moderationspartikel eignen sich:

1) Die zeitliche Gliederung

  1. Gestern
  2. Heute
  3. Morgen

Beispiel:

  1. Gestern war der größte Feind unserer Kinder der Fernseher.
  2. Heute ist es das Smartphone.
  3. Morgen werden es die VR-Brille und das Metaverse sein.

Wenn wir unvorbereitet im Meeting oder bei einer Veranstaltung nach unserer Meinung gefragt werden, dann macht die Struktur hörbar den Unterschied. Sie zwingt uns, Inhalte zu portionieren und hilft damit nachvollziehbar zu sprechen.

2) Die situative Gliederung

  1. IST-Zustand
  2. WUNSCH-Stand
  3. SOLL-Stand

Beispiel:

  1. Wir stehen gerade vor der Aufgabe neue Mitarbeiter einzuschulen. Der Status Quo: In den nächsten Wochen beginnen bei uns 13 Quereinsteiger.
  2. Damit die digitale Einarbeitung wunschgemäß bis Herbst gelingt, haben wir ein Manual mit Checklisten ausgearbeitet.
  3. Bis kommenden Montag sollen sich alle Teamleiter damit vertraut gemacht haben und die ersten Onboardings nach dieser Vorlage abwickeln.

3) Die Pro-Kontra-Gliederung

Eine dialektische Struktur hat nichts mit Mundart oder Dialekt zu tun; sondern vielmehr mit einer Pro- und Kontra Argumentation. Wichtig ist Deine gedankliche Schlussfolgerung, damit das Gegenüber konkret weiß, für welche Seite Du Dich entschieden hast.

  1. Auf der einen Seite
  2. Auf der anderen Seite
  3. Deshalb (Schlussfolgerung)

Beispiel:

  1. Auf der einen Seite bin ich davon überzeugt, dass ein Schüleraustausch in einem Englisch sprechendem Land ein Gewinn für das Kind sein kann
  2. Auf der anderen Seite sehe ich bei unserer Tochter klar die Gefahr, dass ihre Schulnoten das nicht erlauben.
  3. Deshalb sollten wir sie davon überzeugen, dass sie beim Studium ein Auslandssemester einplant.

4) Die kausale Gliederung

  1. Ich bin der Meinung (Positionierung)
  2. Weil (Beweis)
  3. Deshalb (Schlussfolgerung)

Beispiel:

  1. Ich bin der Meinung die Feinstaubbelastung durch die Verkehrslawine, die mitten durch unsere Stadt donnert, gehört gestoppt –
  2. weil unsere Kinder bereits überdurchschnittlich häufig mit Asthma zu kämpfen haben.
  3. Deshalb plädiere ich für eine Umfahrungsstraße für den Fern- & Schwerverkehr.

Kausale und dialektische Ansätze haben beide ihren Reiz. Wahrscheinlich holst Du mit einer dialektischen Struktur Dein Gegenüber besser ins Boot. Im Gegensatz dazu hat die kausale Form durch einen unumstößlichen Beweis und die logische Schlussfolgerung immer eine besondere rhetorische Brillanz. Das Geheimnis all dieser geordneten Formen liegt in der Kürze. Die Dosis macht auch hier das Gift und bedeutet: Nie zu viel vom Gleichen! Lieber mal Abwechslung in die eigene Gesprächsführung bringen und die Sprechstruktur wechseln. Damit ändert sich auch Dein Betrachtungswinkel. So zum Beispiel, wenn Du Themen inhaltlich eskalierst.

5) Die Gliederung durch Konsequenzen

Wirkungsvoll ist deshalb der “Konsequenz-Talk”. Gemeinsam mit dem Gesprächspartner kannst Du auf diese Weise vordenken und seine Überlegungen auch mal ad absurdum führen.

  1. Aussage 1
  2. Die Folge/Konsequenz führt zur Aussage 2
  3. dies führt in letzter Konsequenz zur Aussage 3

Beispiel:

Aussage 1

  1. Angenommen wir machen das so, wie Sie vorschlagen und kündigen diese drei Mitarbeiter
  2. Die Folge davon ist ein irritiertes Team und drei Knowhow-Träger, die sich der Konkurrenz anbieten werden
  3. In letzter Konsequenz bedeutet das: Übles Personalmarketing und einen klaren Reputationsschaden!

6) Die geografische Gliederung

  1. In Region/Land 1
  2. In Region/Land 2
  3. Auch wir sollten

Beispiel:

  1. In China denkt man bereits nach über
  2. Die USA verfolgen hingegen eher das Ziel …
  3. Auch wir in Europa sollten …

Die geografische Gliederung weist Redner als polyglott und über den Branchentellerrand denkend aus: Du beweist dadurch, dass Du nicht nur den eigenen Geschäftszweig und den heimischen Markt im Auge hast, sondern ebenfalls wirtschaftliche Entwicklungen in anderen Teilen der Welt beobachtest.

Innovationen und Trends in unterschiedlichen Ländern beeinflussen in einer globalen Welt auch die eigene Sparte. Die Außenpolitik einer Hillary Clinton beispielsweise stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der europäischen Migrationsproblematik.

Die Infizierung der Welt durch Corona nahm ihren Anfang in Wuhan, einer Elf-Millionen-Einwohnerstadt. Vor dem Ausbruch der Pandemie haben noch nicht alle von der Metropole in der zentralchinesischen Provinz Hubei gehört. Fun Fact am Rande: Wuhan ist immerhin seit 2005 Partnerstadt von St. Pölten (54.000 Einwohner!).

7) Die numerische Gliederung

  1. Erstens
  2. Zweitens
  3. Drittens

Aufzählen geht immer! Allerdings ist es sinnvoll seine drei wichtigsten Gründe anzukündigen und diese knapp zu halten. Denn: Bei langatmigen Aufzählungen verabschiedet sich die Aufmerksamkeit unserer Gesprächspartner und sie hören schlicht nicht mehr zu.

Beispiel:

Drei Gründe, warum ich E-Scooter ablehne:

  1. Erstens: Ihre Herstellung ist alles andere als ökologisch.
  2. Zweitens: Sie behindern Gehsteige – Kinderwägen und Rollstuhlfahrer haben ihre liebe Not.
  3. Drittens: Alleine im Vorjahr kamen in Deutschland 11 Personen durch E-Scooter ums Leben, Tausende wurden schwer verletzt und einige sind seither Invaliden.

Wenn wir uns mit anderen Menschen unterhalten, dann tun wir das entweder, weil wir andere von unserer Sichtweise überzeugen oder weil wir unsere Inhalte präsentieren wollen.

Im privateren Rahmen geht es zudem darum, unsere Emotionen zu erklären und für uns selbst zu formulieren.

Fazit: Struktur ist zwar nicht wichtiger als der Inhalt. Klar! Aber oft bedingt die Form die Substanz: In den Boulevard der “Bild” passt der Content einer Frankfurter Allgemeinen Zeitung eben nicht. Struktur allein ist zwar noch kein Qualitätskriterium – doch ohne Form klappt es mit dem besten Inhalt nicht.

Themen: KommunikationsgesellschaftDenkenSprechstrukturSeilGliederung