Unfaire Sprache

15. Januar 2020 von Tatjana Lackner, MBA

Was versteht man unter „Schwarzer Rhetorik“?

Schwarz wird in unserem Kulturkreis oft mit düster, Trauer oder Tod assoziiert. Zur „Schwarzen Rhetorik“ gehören daher Totschlag-Argumente und Killerphrasen ebenso wie Gesprächsblockaden und Kommunikationssperren.

Wer ist im Business gefährdet?

Gerade am Arbeitsplatz bieten strukturbedingte Reibebäume in jedem Organigramm eine Blüte an Möglichkeiten, um aneinanderzugeraten. Logisch, dass, ob seiner Jobdescription der Einkaufsleiter nicht immer der beste Freund des Verkaufsleiters ist. Auch der Marketing-Chef spricht selten die gleiche Sprache wie der Controller, zudem verfolgen beide völlig unterschiedliche Ziele. Im Gastgewerbe haben – klischeekorrekt – viele Kellner mit den Köchen ebenso ihre liebe Mühe, wie im musikalischen Metier die Geiger mit den Bläsern. Killerphrasen begegnen uns aber auch nach 18.00 Uhr zu Hause. Unsere Kinder sind oft perfekte Sophisten.

Der aktuelle Bestseller von Tatjana Lackner „Die Kommunikationsgesellschaft – Lackners Labor“ befasst sich mit Killerphrasen.

Was versteht man unter „modernem Sophismus“?

Sophismus lässt sich vom griechischen Wort sophós ableiten, das für „geschickt“ und „klug“ steht. Rhetorische Scheinbeweise und Trugschlüsse zu ersinnen ist kein neues Phänomen. Schon im 5. Jahrhundert vor Christus gabes bekannte Stilmittel, um Menschen zu manipulieren. Für die Sophisten war es sportlicher Ehrgeiz, durch sprachliches Geschick Einfluss zu nehmen. Die Griechen untersuchten damals Begriffe und ihre Grenzen. Die Frage war: Was lässt sich beweisen und wovon das Gegenteil behaupten? Denken war die Leidenschaft und gut Redenkönnen eine Tugend. „Rhetorik“ war die Grundvoraussetzung, um studieren zu dürfen. Damit zählte dieses Handwerk, besser: Zunftzeichen „Mundwerk“ zu den ersten Studieneignungstests der Geschichte. Die Frage für jeden Karrieresuchenden lautet: „Rede ich noch oder spreche ich schon?“ Reden lernen wir mit einem Jahr, gut sprechen können manche nie.

Sind Standpunkte Mangelware geworden?

Unsere Welt ist komplex. Das Dickicht der fortschrittlichen Erkenntnisse, Innovationen und Errungenschaften scheint undurchdringlich. Dahinter sind die Meinungen des Einzelnen vielerorts in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die häufigsten Ausreden zu aktuellen und politisch relevanten Themenstellungen, die wir auch im Trainingsalltag erleben: „Das kommt darauf an …!“, „Dazu fällt mir gerade nichts ein.“, „Darüber weiß ich zu wenig.“ Leider wird die eigene Meinung immer öfter von der Situation und dem Gesprächspartner abhängig gemacht. Damit ist sie so wechselhaft wie das Wetter im April. Doch die persönliche Meinung jedes Einzelnen ist heute gefragt! Demokratie braucht schließlich Standpunkte. In einer denkfaulen Gesellschaft haben es Populisten und Meinungsmacher leichter, die Karriereleiter hochzuklettern. Die Qualität des politischen Personals unseres Landes ist für viele Unternehmen essentiell. Schließlich werden durch die gewählten Volksvertreter unsere gesetzlichen Arbeitsspielregeln festgelegt.

Keine Meinung? – Gefährlich für die Karriere

Bleibt genug Zeit, sich überhaupt eine Meinung zu bilden? Es stimmt, dass wir täglich immer mehr Entscheidungen treffen müssen – im Job und privat. Da bieten die technischen Hilfsmittel, wie Tabletts, Mails, Apps maximal mobile Unterstützung – sie können uns die Brainarbeit aber nicht abnehmen. Wer deshalb jedoch darauf verzichtet, sich qualitativ zu informieren, der beraubt sich selbst wichtiger Gestaltungsmöglichkeiten. Die politisch-strategischen Strukturen im eigenen Unternehmen oder in der Region zu hinterfragen, ist für den mündigen Mitarbeiter am Weg nach oben notwendig. Das Gefährlichste für Karriereorientierte ist, wenn sie mit den operativen Tätigkeiten ihres Jobs so beschäftigt sind, dass sie vergessen, etwas für den Wert ihrer eigenen Meinung zu machen.

Wer sich nur um die eigene Fachexpertise kümmert und zu unternehmensrelevanten Themen nichts zu sagen hat, der wird auch seltener gefragt. – Die Gestaltungsmöglichkeiten bekommen dann andere. Führen können heißt, Verantwortung übernehmen wollen. 2030 werden verstärkt Mitarbeiter gefragt sein, die querbeschleunigen, Ansichten sprachlich bildhaft vertreten und gedankliches Frischwasser bieten. Immer öfter geraten jene ins Out, die ihre aufkeimende Unzufriedenheit anonym auf das Kollektiv abwälzen.

Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Zeitungen, Internet und TV sind Meinungsmacher und öffentliche Zerstäuber von Botschaften und Glaubenssätzen. Das Geschäft mit der Information gehört zu den bestbezahlten der Welt. Die Konsequenz? Erst, wenn Meinungsbildner das Medienparkett betreten und den Ton vorgeben, formt sich langsam die Haltung der Menschen, die nicht im Scheinwerferlicht stehen.

Obwohl ich selbst Kolumnistin mehrerer Fachzeitschriften bin und mich seit 25 Jahren journalistisch betätige, bin auch ich schon Kollegen aufgesessen, die mir Inhalte in den Mund gelegt haben oder Promikunden angedichtet haben.

Fazit: Die „Sager“ und O-Töne der Identifikationsfiguren aus Politik, Wirtschaft und anderen medienwirksamen Branchen werden vom Konsumenten gerne  übernommen. Der perfide Slogan eines österreichischen Magazins: „Wie viel Profil hat Ihre Meinung?“ suggeriert leider auch noch, man könne sich Meinungen am Kiosk kaufen. Oft werden Inhalte nach der Lektüre von Gazetten verkürzt und dann willkürlich zusammengemischt. Dabei werden die befragten Experten oft genug gleich nach einem Interview falsch zitiert und insgesamt ist „tendenziöse Berichterstattung“ vom Auftraggeber alias Herausgeber mancher Orts sogar bestellt.

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