Die aktuelle Obsession vieler Dienstleister mit selbsternannten „Social Media Coaches“ führt einige mittlerweile höchstpersönlich auf die Couch. Manche davon sogar in den finanziellen Ruin. Jemand der selbst ein Unternehmen aufgebaut hat weiß, dass prollige Konzepte à la “Buche meine Online-Strategie und Du wirst in vier Schritten Millionär, Bro!” peinlicher Humbug sind. Viele dieser “Coaches” sind selber EPUs (Ein-Personen-Unternehmen) und haben nie mit eigenen Händen einen Betrieb von der Pike weg aufgebaut. In sie zu investieren, bringt oft mehr Schaden als Nutzen. Jeder Austausch mit Gleichgesinnten oder fachliches Mentoring wäre inhaltlich sinnvoller.
Die auf Facebook, Instagram & Co selbsternannten „Experten“ mit der “goldenen Zauberformel für eh alles” sind keine ausgebildeten Fachleute, sondern profitieren von einem digitalen Hype. Es gibt einen Mangel an klaren Standards und Zertifizierungen in diesem Bereich, was es einfach macht, sich als Social Media Coach auszugeben. Dienstleister, Trainer, und KMUs (Klein- und Mittelbetriebe) sollten skeptisch sein, bevor sie in die Falle tappen und ihr hart verdientes Geld für zweifelhafte Ratschläge ausgeben. Denn: Die Effektstärke dieser “Coaches” ist meist überschaubar. Zudem sind viele von ihnen schlicht Pseudo-Experten. Dabei geht es vor allem darum, zeitnah bestimmte Reaktionen oder Emotionen hervorzurufen. Dafür werden Manipulationen eingesetzt, wie beispielsweise die Verknappung (“Nur noch kurze Zeit!”) aber auch haltlose Versprechungen (“Buche jetzt und Du hast schon am Ende des Monats garantiert mehr in der Tasche!”), Ironie (“Fürs Geld selbst arbeiten kann schließlich jeder!”, “Geld macht reich, gewöhne Dich daran!”). Immer wieder erleben wir in den sozialen Netzen subtile Schuldzuweisungen – auch die sind wirkungsvoll (“Solange Du mich Dir nicht helfen lässt, wirst Du zu wenig Umsatz haben. Es liegt alleine an Dir!”).
Viele dieser fragwürdigen Online-Päpste haben mehr Interesse daran, ihr eigenes Image zu polieren, als tatsächlich effektive Strategien für ihre Kunden zu entwickeln. Die Gefahr besteht darin, dass die draufzahlenden Opfer dieser Internet-Dienstleister von glänzenden Versprechungen geblendet werden und am Ende mit wenigen bis gar keinen greifbaren Ergebnissen dastehen.
Auch der Umkehrschluss führt übrigens in die Sackgasse: “Ich war bei der Online-Sonja und dank ihr verkaufe ich jetzt zweistellig”. Nein, tust Du nicht! Stattdessen setzt Du Dich endlich mal mit Deinem Online-Auftritt auseinander. Nur ein einziges Profil zu bewirtschaften, macht bereits ordentlich Arbeit. Und ja, am Beginn kann eine größere Reichweite helfen. Jemand der glaubt, dass er seinem Umsatz seinem Social Media Team verdankt, sollte jedoch nachdenken.
Die Schule des Sprechens beispielsweise floriert seit 30 Jahren – und das, obwohl wir uns die Konkurrenz weitgehend selbst ausgebildet haben. Am Beginn gab es weder nennenswerte Mitbewerber noch soziale Medien. Heute sind wir stolz auf gute Absolventen, die sich ebenfalls mit ähnlichen Konzepten selbständig gemacht haben. Unsere Vormachtstellung in der Branche verdanken wir strengem Qualitätsmanagement, ständiger Verbesserung und anspruchsvollen Kunden – keinem Online-Guru mit Flausen. Qualitätsinhalte kommen eben nicht vom Social Media Zerstäuber.
Was viele unterschätzen, ist die psychische Belastung, die mit dem Druck einhergeht, in den sozialen Medien präsent zu sein. Die ständige Jagd nach Likes, Followern und Engagement kann zu einem erheblichen Stressfaktor werden. Manch selbsternannter “Social Media Coaches für Kundenhungrige & Umsatzunterfütterte” war vielleicht gestern selbst noch arbeitslos. Sein performanter Fokus liegt auf Quantität statt Qualität, was zu oberflächlichen Interaktionen führt und seriösen Kunden deren eigene Klientel langfristig vergrault. Peinliche Posts, fragwürdige Reels und distanzloses “Relating” ohne klaren Nutzen are simply not the vibe!
Facebook-Gruppen beispielsweise kosten Zeit. Selbst billige und schnelle Interaktion bindet temporäre Ressourcen und zwingt manchen Jungtrainer Gratis-Content zu verschenken – mit der Konsequenz, dass er selbst gar nicht mehr so viel übrig hat. Die einen verlieren rasch fachliche Inhalte, die anderen sinnvolle langfristige Ziele und manche ihre geschäftliche Kernzielgruppe aus den Augen. Mehr Umsatz wird selten vertraglich “garantiert”.
Der Erfolg in den sozialen Medien ist zudem nicht gleichbedeutend mit dem Geschäftserfolg! Dienstleister und Coaches sollten sich auf persönliche Touchpoints und Empfehlungen oder auf authentische Beziehungen konzentrieren, anstatt sich von einer oberflächlichen Online-Präsenz blenden zu lassen.
Auch ich beobachte seit Jahren, dass viele ausgebrannt und hochverschuldet zurückbleiben. Bei anderen wiederum fehlt durch den virtuellen Beifall die bitter nötige Selbstkorrektur und Eigenreflexion, damit sie als Trainer gut bleiben. Die Anzahl neuer Follower ist eben nicht gleichbedeutend mit der Anzahl zahlender Kunden.
Eine Lektion, die unsere Kinder bereits gelernt haben, denn sie wissen, dass viele mutmaßliche Freunde auf den sozialen Plattformen noch keinen “echten” Buddy garantieren.
Fazit: Trainer, One-Person-Shows und selbst kleine Unternehmen sollten kritischer hinterfragen, ob die Investition in einen Social Media Coach aktuell sinnvoll ist und ob dadurch der versprochene Nutzen überhaupt erreicht werden kann.