“Work-Life“? “Talk-Life”-Balance!

22. Februar 2023 von Tatjana Lackner, MBA

In einer meiner letzten Clubhouse-Sessions plauderten wir genau über dieses Thema. Anlass war der internationale “Fun at Work-Day”, den offenbar nur wenige überzeugt abfeiern. 

Immer noch reden viele von Work-Life-Balance. Dabei ist “Work” doch auch ein Teil unseres “Life”. Woher kommt die Trennung? Leben wir doch längst in einer Zeit, in der die Übergänge zwischen Freizeit und Arbeit oder Work & Travel verschwimmen. 

Zahlreiche Wortmeldungen trudelten auf unserer virtuellen Bühne ein. Behauptungen wurde aufgestellt: Wer sich “die Arbeit selbst einteilen kann”, der würde es mit der Work-Life-Balance besser hinbekommen. Wirklich, ist das so? Viele Selbständige arbeiten ausgerechnet in der Gründungsphase rund um die Uhr – und zwar gerne.  

Schieb Deine Fehlentscheidungen nicht auf die Arbeit! 

Im Zuge eines Lebens treffen Menschen Entscheidungen – richtige und falsche. Die eine studiert das Verkehrte, der andere heiratet eine Partnerin, die nicht wirklich zu ihm passt. Der Nächste kauft ein Haus, das er sich nicht leisten kann. Es ist dann leicht, dem eigenen Arbeitsplatz die Schuld dafür zu geben, dass man keinen Sinn im Leben findet, während man insgesamt öfter falsch abgebogen ist. 

Ein Arbeitsplatz ist kein privater Wellness-Parcour mit Sinnfindungsgarantie. Der Deal ist: Jemand zahlt einhundert Prozent Geld und möchte dafür gleichviel Arbeitsleistung. Keinen Dienstnehmer interessiert, ob sich der Chef beim Zahlungsvorgang gut, euphorisch oder ausgelaugt fühlt. Das Payment soll pünktlich am Anfang des Monats auf dem Konto einlangen. Punkt. Umgekehrt interessiert nicht alle Chefs, wie beseelt die Working Experience des Mitarbeiters läuft, sondern sie hätten schlicht die bezahlte Arbeit mit freundlichen Nasenlöchern fehlerfrei erledigt. 

Ein Job, der sich nicht wie Arbeit anfühlt, ist das Optimum” hat jemand auf der Clubhouse-Bühne verkündet. Ob das ein Spitzensportler tatsächlich immer so sieht? Schließlich hat er keinen klassischen Nine-to-five-Job; dafür steht er vielleicht täglich beim Training unter Schmerzen? 

Das Ende der Gleichzeitigkeit 

Klar haben wir alle viel “auf dem Teller” liegen. Arbeit samt Weiterbildung, daran angehängt will die eigene Karriereplanung – zeitgleich – unter einen Hut gebracht werden mit einem erfüllten Privatleben. Das ist nicht einfach. 

Daheim möchte jedes einzelne Familienmitglied gehört werden. Das bedeutet, die verschiedenen Interessen aller – neben den eigenen – zu balancieren.  

Fast immer wird das Thema Stress alleine auf die Arbeit geschoben. Vorrangig dann, wenn wir uns verausgabt oder erschöpft fühlen, muss es wohl am Job liegen. Dabei gehen sich einfach nicht alle Lebensziele gleichzeitig aus. 

“Nein sagen” will gelernt sein. Jemand, der sich in alle Richtungen verspricht, wird verglühen und es dann “Burn Out” nennen. 

Wer gerade eine Familie gründet, kann eben keine 70 Stunden pro Woche arbeiten und dabei auch noch dreimal die Woche ins Fitness-Center kommen. Damit uns nicht die Puste ausgeht, müssen wir Prioritäten setzen, Abstriche machen und diese auch klar kommunizieren – an uns selbst und an andere. 

Zeitliche Ressourcen sind eine knappe Ware in unserem Leben und gelegentlich hört man diesbezüglich sogar Vorwürfe aus dem eigenen Familien- oder Freundeskreis: “Ihr habt ja nie Zeit” oder “Du rufst mich nie zurück!” 

Aber ist tatsächlich das reine Arbeitspensum dafür verantwortlich, dass uns das Leben kräftemäßig zusetzt? Sind es nicht viel eher die mühsamen Diskussionen, die wir in Wahrheit schon seit unserer Kindheit führen und die auf Dauer zermürben? 

Talk-Life-Balance 

Nach Jahrzehnten im Business-Coaching bin ich davon überzeugt, dass es nicht alleine die Menge an Arbeit, gepaart mit unserem Lebensdesign ist, die den meisten zusetzt. Vielmehr geht es um die Gesprächskilometer, die wir im Leben zurücklegen. Laufend verteidigen wir unsere Überzeugungen und balancieren unsere Werte – daheim und im Job. 

Das ging schon in der Kindheit los. “Mama büüüttte, lass mich heute bei Hanna übernachten. Ich will unbedingt!” 

Mal haben wir im Elternhaus um Erlaubnis gebettelt, dann wieder mussten wir fragen, ob wir etwas dürfen: “Pa, kannst Du mir heute Abend bitte ausnahmsweise das Auto leihen?” 

Oft galt es sogar, gut gemeinte Vorschläge abwehren: “Ja, Du hast recht. Im Leben muss man immer wieder mal einen Vertrag unterschreiben. Da wäre es gut rechtlich Bescheid zu wissen. Nein Opa, ich möchte trotzdem nicht Jura studieren. Und nein, ich verurteile nicht, dass Du das gemacht hast, aber für mich …“. 

Später in den eigenen Beziehungsjahren, suchen wir nach Ausreden, um Konflikte zu vermeiden. “Aber geh’, ich habe doch gar nichts gegen Deine Eltern. Wir haben bei uns zu Hause nur einfach anders kommuniziert. Irgendwie offener.” 

Anschuldigungen und Unterstellungen parieren wir sogar im Freundeskreis: “Was meinst Du damit, dass ich neben den Kindern “bloß” 30 Stunden arbeite?” 

Eltern, Partner, Chefs, Mitarbeiter und selbst die eigenen Kids kosten Rede-Energie. Daneben gibt es von Freunden oder aus der Gesellschaft Zurufe oder Suggestivfragen, die uns erneut in die Rechfertigungsfalle laufen lassen: “Erlaubst Du Deinen Kindern nicht ein bisschen zu viel?” 

Tausende Gesprächskilometer setzen uns zu 

Immer braucht es für Erklärungen und Gespräche Worte und die kosten Kraft. Genauer gesagt: Überzeugungskraft! Mal versuchen wir es einfühlsam und motivierend: “Du diese Woche essen wir einfach mal fleischlos und zum Nachtisch gibt es Obst. Nächste Woche besprechen wir den Essensplan gemeinsam, okay?” 

Daneben sollen wir auch unsere Partner bespaßen oder uns wenigstens für deren Leben proaktiv interessieren. “Wie war Dein Tag heute?” 

Viele fühlen sich leer geredet und spüren, wie die Überzeugungskraft gegen Abend schwindet. “Am liebsten Schatz, würde ich heute einfach zu Hause bleiben, mit Dir ein Glas Wein trinken und dann noch ein bisschen lesen.” 

Meterweise findet sich Ratgeberliteratur von Anziehung bis Be-, Er- und Grenzziehung: “Wie bleibt man im Beziehungsmanagement erfolgreich?” “Was gefährdet die Paardynamik?” Uff! 

Wer sich als Liebespaar aus den Augen verliert und nicht mehr kommuniziert, der ist angeblich schon gescheitert und beginnt irgendwann von vorne. Das bedeutet, dem neuen Partner die Eigengebrauchsanweisung zu erzählen. “Wir haben am Anfang stundenlang telefoniert.” Reden, bis der Arzt kommt. Am Ende mancher Ehe kommt statt dem Arzt der Anwalt. 

Was nützt es, wenn wir mit dem Aufbau unseres Wohlstandes beschäftigt waren, finanziell alle gut abgesichert haben und dann doch im Freundeskreis verkünden müssen: “Wir haben uns auseinandergelebt und gehen nun getrennte Wege.” Manche haben Häuser gekauft oder anderwärtig Eigentum angeschafft und gingen als Paar in den Ehekonkurs. Sie haben sich über den Alltag und die Fliesen länger unterhalten als die gegenseitigen Verletzungen und Enttäuschungen zu thematisieren. 

Fazit: Wer sich rhetorische Fähigkeiten aneignet, ist für die vielen Redesituationen des Lebens gerüstet. Denn: Gespräche zielorientiert zu führen spart Zeit und Kraft – im Job und im “echten Leben”. 

“Ich habe Stress bei der Arbeit” bedeutet übersetzt manchmal auch: “Ich komme mit meinen Kollegen nicht so gut aus.” oder “Die Kundengespräche kosten mich Nerven, da ich nicht verkaufen kann.” Lass nicht Dein Broterwerb herhalten, um ein Alibi für eigene Fehlentscheidungen zu haben. 

Meine Clubhouse Community hat recht: Work-Life-Balance-Meister wird erst, wer sich ebenfalls für die “Ich-Zeit” Fenster im Kalender reserviert. Auch hier hat die Kommunikation das letzte Wort: Wie redest Du dann mit Dir? Schaffst Du es Dir selbst Trost und Motivation zuzusprechen? 

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