Was bedeutet BRIDGING?

26. Januar 2020 von Tatjana Lackner, MBA

Was bedeutet BRIDGING?

Die sogenannte “Brückenannahme” ist eine rhetorisch gefinkelte Methode der Manipulation, denn sie lässt von einem Satzinhalt sofort auf den nächsten schließen.

Beispiel:

Alle 5 Sekunden werden alleine in Deutschland 8.034 € an essbaren Lebensmitteln weggeworfen. Alle 5 Sekunden, sterben zwei Menschen an Hunger.

Unser “Kino im Kopf” funktioniert bei Filmen und in Gesprächen.

Wenn man beispielsweise in der ersten Kameraeinstellung einen Mann zeigt und in der nächsten ein kaputtes Auto, dann verbindet unser Gehirn automatisch diese beiden Bilder. Wir drehen geistig eine Art Ergänzungsfilm – entweder wir nehmen an, dass dieser Mann den Unfall gesehen oder selbst verursacht hat oder, dass er auf irgendeine Weise mit dem Tathergang in Verbindung steht.

In Wahrheit ist die erste Aufnahme vielleicht in Kopenhagen entstanden und die zweite in Barcelona. Wir “bridgen” automatisch und bilden einen Zusammenhang. So funktionieren Filme. Und so funktionieren Manipulationen in Gesprächen.

Ein Beispiel macht die Sache klarer:

Die Toilette ist kaputt. Der Abfluss ist verstopft.

Die “indirekte Anaphorik” lässt uns auch hier wieder sofort eine Verbindung herstellen und annehmen: Die Toilette ist kaputt, weil der Abfluss verstopft ist.” Doch stimmt das überhaupt? Woher will man das wissen? Reine Annahme.

Das wäre bei den folgenden beiden Sätzen, die grammatikalisch genau gleich aufgebaut sind, wohl nicht der Fall:

Die Toilette ist kaputt. Die Nase ist verstopft.

Niemand käme auf die Idee anzunehmen, dass die Toilette deshalb kaputt ist, weil die Nase verstopft war.

Bridging kann manipulativ eingesetzt werden. Ergänzungsfilme zu Botschaften kreieren wir laufend.

“Bridging” wird von Medienprofis dann eingesetzt, wenn sie thematisch eine Brücke zu Inhalten schlagen, über die sie reden wollen. Die gestellte Reporterfrage beantwortet man kurz und moderiert zu seiner eigenen Kernbotschaft. Diese sollte sprachlich bebildert sein, und das Kopfkino der Zuhörer anregen.

Beispiel:

Ein Medienvertreter konfrontiert Sie damit, dass Ihre Firma deutlich an Marktanteilen in Europa verloren hat.

Sie geben dem Journalisten recht, wo er recht hat und bridgen:

“Ja, es stimmt, dass wir mittlerweile nicht nur Firmen, sondern ganze Industrien nach China verloren haben. China wird mit der neuen Seidenstraße aber noch weiter an Bedeutung gewinnen. Wir haben unsere neuen Niederlassungen deshalb nach geopolitisch wichtigen Gesichtspunkten entlang dieser Route ausgewählt.”

Doch Vorsicht! Die semantische Brücke bricht ein, wenn auch der letzte Zuhörer merkt, dass jemand plump vom Thema ablenkt und Journalistenfragen beispielsweise nicht beantwortet.

Fazit: Clever gebridged hat, wer es schafft zu einer selbstgestellten Frage überzuleiten und einen neuen Aspekt anzumoderieren. Viel zu selten erkennen Journalisten gut gemachtes “Bridging”.

Themen: Tatjana LacknerBridgingBrückeInterviewfragenAnaphorikKino im KopfFrame