Die 7 “V”-Methode

24. September 2021 von Tatjana Lackner, MBA

Das Verkaufsgespräch hängt eng mit einer Verhandlungssituation zusammen. Denn auch beim Autokauf beispielsweise oder auf dem Wohnungsmarkt zahlen wir selten den ausgerufenen Listenpreis. In den meisten dieser Fälle sind Abschläge bereits eingerechnet. 

Vertragliche Preisbindungen gibt es in manchen Branchen – im Buchhandel zum Beispiel oder bei Tabakwaren und rezeptpflichtigen Medikamenten. Aber nicht in jedem Fall ist der angegebene Fixpreis im Laden dann auch fix. – Bei H&M und Zara schon und beim Billa an der Kassa wird sich das Feilschen ebenfalls wenig lohnen, aber bei kleineren Boutiquen und Läden lässt sich preislich bei Barzahlung oder beim Kauf von mehreren Stücken durchaus ein Nachlass erwirken. 

Immer geht es beim Verhandeln darum, die Personen von ihren Positionen zu trennen und flott herauszufinden, in welcher Funktion sitzen die Beteiligten am Tisch? Wer hat hier das Sagen und trifft final die Entscheidung? Wer ist nur Mitläufer oder Berater? Welche Informationen fließen und wie sind sie zu beurteilen? Was wollen die anderen überhaupt? 

Diese 7-“V’s” spielen bei Überzeugungsgesprächen daher immer eine Rolle: 

Verhandlung, Verkauf und Vermarktung schaffen Vertrauen und vielleicht sogar Vermögen, wenn die Verhältnisse stimmen und man zwischendurch Vorsicht walten lässt. 

Vertrauen: Gemeinsamkeit siegt 

Viele Politiker, die sich konsensual geben verwenden die folgende Gesprächsstrategie: “Ich glaube wir liegen in zwei Punkten gar nicht so weit auseinander …”. Sebastian Kurz, aber auch Joe Biden bedienen sich dieser Art der Schnittpunktfindung. Gesprächspartner schätzen jede Form der konsensualen Attitüde – niemand will auf einen sturen Streithansl treffen. Wenn die Meinungen zu sehr divergieren, dann werden wenigstens “good will”-Interessen gesucht: “Beide wollen wir doch, dass …“ Im Notfall einigen sich diplomatische Parteien auch mal auf ein “We agree to disagree”. 

Verhandeln: auf die Rolle pochen 

Gegen rhetorische Spalter hilft in erster Linie zwischen einer Rolle und der Position deutlich zu unterscheiden: “Markige Sprüche bringen uns aktuell nicht weiter. Von uns wird schließlich erwartet, dass wir eine Lösung finden …“  

Die Rolle des Gesundheitsministers verlangt, dass er die Volksgesundheit wohlwollend und verantwortungsbewusst im Auge behält. Wogegen seine Position beim Thema “Besteuerung oder Verbote von illegalen Drogen” vielleicht auf einem anderen Blatt steht. Seine persönliche Anschauung könnte abweichen – sowohl von seiner Rolle als auch von seiner Position. 

Vorsicht: Edle Absicht anzweifeln 

Risiko ist gut. Doch gerade in Verhandlungen ist Besonnenheit langfristig besser. Die einen sind zu impulsgetrieben und machen deshalb zu früh Zugeständnisse. Manche hingegen sind zu kompromissbereit und schwächen ihre Verhandlungsposition durch die Einstellung: “Man muss immer an das Gute im Menschen glauben” oder “Ich vertraue darauf, dass alles gut wird” oder “Ich mache mir sicher keine Akonto-Sorgen”. 

Das ist falsch. Lieber überlegt sich ein Unternehmer vorher, was sein Geschäftsjahr negativ beeinflussen könnte und ist im entscheidenden Moment auf Eventualitäten vorbereitet. Nur davon auszugehen: “Das wird schon alles irgendwie schiefgehen” ist für einen Verantwortungsträger, der Gehälter bezahlen soll wenig tugendhaft. 

In der Fahrschule haben wir alle gelernt, dass wir vom Gas gehen und Vorsicht walten lassen, wenn wir uns einer uneinsehbaren Kurve oder einer unübersichtlichen Bergkuppe nähern. Was im Straßenverkehr “auf Sicht fahren” bedeutet ist bei der Verhandlung gleichzusetzen mit gedanklicher Vorbereitung und Hintergrundrecherche. 

Manchmal hilft es, ehrlich Vorbehalte und Befürchtungen anzusprechen: “Woher sollen wir wissen, dass es Ihnen wirklich um die Sache geht und nicht nur darum unsere Leistungen zu schmälern?” 

Vermarktung: Referenzen anführen 

Hier geht es nicht um Hochstapeln oder radikales “Namedropping”, sondern wir sollten dem Gesprächspartner versichern, dass sich bereits andere vor ihm auf uns verlassen konnten. “Da sind Sie bei uns genau richtig. Wir haben in den letzten Jahren hunderten zufriedenen Familien bei der Eigenheimsuche helfen können”. Doch Vorsicht! Es langt nicht, sich einfach selbst zu loben. Besser beweisen Sie dem Gegenüber Ihre Zuversicht mit konkreten Beispielen und gelungenen Referenzen. 

Sowohl in der Bewerbung, aber auch im Verkaufsgespräch wirken klingende Namen als Empfehlung oft Wunder. Früher gab es den Begriff des “Empfehlungsschreibens”. Was heute das Dienstzeugnis, war damals eine konkrete Auskunft des letzten Lehrherrn oder anderer Referenzgebern, die sich namentlich für den Gesellen verbürgten. In den USA werden für manche Tätigkeiten bis heute drei Referenzen verlangt. Dort müssen es nicht immer ehemalige Dienstgeber sein, die eine Empfehlung aussprechen, sondern gleichermaßen Amtsträger, religiöse Leiter oder Lehrer. 

Eine renommierte Bildungseinrichtung, gute Universitäten oder die Behörde sind ebenfalls Förderer. 

Trotz der einschränkenden DSGVO-Regeln und strengeren Gesetzen dürfen wir auch in Europa – nach vorheriger Absprache – Kunden bzw. Vorzeigeprojekte namentlich nennen. In Dienstzeugnissen werden Referenzgeber nach wie vor gerne gesehen. 

Vermögen: Geld spielt eine Rolle 

Etymologisch betrachtet kommt das Wort “Vermögen” von “haben wollen” bzw. etwas “mögen”. In Verhandlungen spielen Preise klar eine Rolle, neben Gesichtsverlust, Wettbewerbsvorteilen und der Freude an taktischen Spielchen.  

Dabei braucht es für eine erfolgreiche Verhandlung nicht immer den Einsatz hoher Geldsummen. Manchmal reicht es, sich im Vorfeld Gedanken über Alternativen oder Kompensationen gemacht zu haben. Nach Gehaltsverhandlungen beispielsweise, erlebe ich immer wieder, dass Menschen freudestrahlend aus dem Mitarbeitergespräch kommen, obwohl sie gar nicht mehr Lohn erhalten. “Dafür habe ich es heuer endlich geschafft, meine ersehnte Weiterbildung bei Dir durchzuboxen.” Auf die Frage, was hast Du heuer anders gemacht, bestätigen sie: “Nachdem klar war, dass niemand eine Gehaltserhöhung bekommt, habe ich mir Deinen Rat zu Herzen genommen und vorher genau überlegt, was ich stattdessen fordern könnte.” 

Verhältnis: Sprache und Macht 

Die Sprechstruktur: “Gestern-Heute-Morgen” hilft immer. Sie ist ein sanfter Trick dem anderen – wenigstens teilweise – recht zu geben. Das gelingt dann, wenn man die Richtigkeit der Aussage des Gegenübers in die Vergangenheit setzt und damit sein inhaltliches Ablaufdatum herausarbeitet: “Das hat vielleicht für gestern noch gestimmt. Heute stellt sich – gerade in Bezug auf unser Projekt – die Welt anders dar …” 

Grundsätzlich gilt für alle Beziehungen – egal, ob geschäftlich oder privat – wer weniger will, hat mehr Macht. Wenn Claudia heiraten möchte, Leo nicht unbedingt, dann ist er mutmaßlich in der stärkeren Position. Wahrscheinlich wird sich der gute Mann dem anhaltenden Druck von ihr dennoch beugen. Dazu kommt, dass der gesamte Freundeskreis schon seit Jahren im Heiratsfieber steckt. Seine Claudia ist clever und bringt diese Beobachtung in das Gespräch mit ein: “Jetzt gibt es tatsächlich noch zwei Paare, die unverheiratet sind – die Gabi und Gerhard und wir. Sogar Leni und Paul haben sich vor uns getraut, dabei waren die glatte drei Jahre kürzer liiert!” 

Wenn eine Verhandlung feststeckt, hilft es die Verhältnisse, Perspektiven und Betrachtungen zurechtzurücken und neue Argumente zu sammeln, die unsere Überzeugung stützen. 

Wenn jemand “über seine Verhältnisse lebt”, dann sagt das aus, dass ihm – trotz des gesellschaftlichen Treibens – die Ressource Geld ausgegangen ist. Für Verhandlungen bedeutet dieser Punkt, dass wir uns in prekären Situationen von Gesprächspartnern nicht unbedingt in die Karten schauen lassen. Wenn Sie unter Druck und Zugzwang stehen, dann lassen Sie sich das nicht anmerken! 

Sprechstrukturen helfen dabei den Verhandlungsraum inhaltlich abzustecken: 

  • Was ist der Status-Quo? – Wovon gehen wir aus? 
  • Was ist der Soll-Zustand? – Also jenes Ergebnis, das wir bei der Verhandlung auf jeden Fall erreichen müssen. 
  • Was wäre der Wunsch-Zustand? – Man wird ja noch träumen dürfen. 

Beispiel: Heute sehen wir uns monetär in der Lage über eine Digitalisierungsoffensive für unser Team nachzudenken. Natürlich wäre auch mein Wunsch, dass wir im Laufe des nächsten Jahres stückweise eine Abteilungen nach der anderen anbinden und diesen Prozess erweitern. Uns wird es jedoch nur gelingen den Vorstand auf unsere Seite zu ziehen, wenn wir im ersten Schritt bei den Wartungsverträge und anstehenden Schulungen die zugesicherten € 50.000, — nicht übersteigen.” 

Verkauf: Frames ansprechen 

Zurück zu unserem Pärchen: Die Perspektive “Freundeskreis” in die Diskussion zu bringen, war von Claudia ein cleverer Schachzug und stellt eine neue Relation dar: Wir als Paar in Bezug auf die anderen.  

Leo könnte seinerseits einen Gegenframe bringen und sagen: “Wenn ich meinen Vater ansehe, dann hat er nicht vor seinem 35er geheiratet. So gesehen hätten wir also noch gut fünf Jahre Zeit.” 

Abweichende Frames sollten wir beim anderen unbedingt ansprechen und die unterschiedlichen Betrachtungen analysieren: “Das ist Ihr Bildausschnitt. Für uns stellt sich die Sachlage jedoch ganz anders dar …” 

Erklären Sie Ihre Position und sprechen Sie aus, wo Sie sich konkret mehr Engagement, Beratung oder Unterstützung erwartet hätten. Zeigen Sie sich jedoch auch bereit aus den Unstimmigkeiten der Vergangenheit zu lernen und erhöhen Sie so den moralischen Druck für die Gegenseite. “Sie sehen, wir sind hier bereits in die Vorleistung gegangen und wünschen uns nun von Ihnen …“ 

Verhandlungspartner kommen durch gut gesetzte Frames unter Zugzwang. Dabei hilft es Allianzen anzusprechen. “Sie wurden uns von Dr. Meier bestimmt auch deshalb empfohlen, weil er sicher war, dass Sie den Change Prozess mit uns so gestalten, wie bei seinen Kunden.” 

Gerade in Verkaufsgesprächen spielen Frames eine große Rolle: “Sie wohnen, wo andere Urlaub machen”. 

Gemeinsame Nenner sichern 

Präzise Botschaften schaffen ebenso Vertrauen, wie klare Preisangaben und genaue Zitate: “Sie haben zu Beginn gesagt, dass sie lieber auf ein zweites Bad verzichten als auf die Ruhelage …“ 

Notieren Sie sich Aussagen des Gegenübers und sichern Sie gemeinsame Nenner im Gespräch frühzeitig: “Das heißt, dass wir hier einen wichtigen Schritt weitergekommen sind. Wir können festhalten, dass …“ 

Gemeinsame Nenner oder Einigungen zusammenzufassen, sichert Ihnen, dass das Verhandlungs- oder Verkaufsergebnis nicht wieder bei Adam losgeht, sondern sie bereits ein Übereinkommen getroffen haben. Dieses thematische Plateau dient Ihnen als erstes Basislager am Weg zum Gipfel. 

Manchmal hilft es sogar die verschiedene Ausrichtung für das Folgetreffen als gedankliche Hausübung mitzugeben: “Bis zum nächsten Mal finden wir heraus, wie wir mit den geänderten Lieferkonditionen umgehen und Sie besprechen bitte intern noch mal, welche Zugeständnisse ihrerseits dadurch machbar sind. Ich freue mich auf das Gespräch am Donnerstag.” 

Fazit: Damit Verhandlungen nicht ins Stocken kommen sollten wir stets prüfen, ob alle sieben “V’s“ zum Einsatz kamen. Damit wir zwischendurch auch harte Bandagen wegstecken, gilt: Schau zurück – denk nach vorne!

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