Objektsprache: Tattoos

17. August 2022 von Tatjana Lackner, MBA

Ich besitze keine Zeichnungen auf meinem Körper. Das bedeutet nicht, dass ich Körperschmuck grundsätzlich verdonnere. Noch dazu sind die ältesten archäologischen Belege immerhin 12.000 Jahre alt. Menschen finden Bildchen auf der Haut offenbar schon eine Weile super. 

Interessant ist jedoch auch, besonders in den Sommermonaten, welche malerische Selbstkundgabe manche Menschen betreiben. Von einer meiner Assistentinnen habe ich mir schon vor einigen Jahren erklären lassen, dass Tattoos etwas sehr Persönliches seien und man niemals nach deren Bedeutung fragen solle.  

Aha. Was aber, wenn die Trägerin an ihrem Trizeps geografische Koordinaten aufgemalt hat und ich mich hinter ihr in der Flughafenschlange stehend frage, wo und was das ist. Sie selbst sieht ihren Trizeps schließlich nie. Ich hingegen schon. Als passionierte Schatzsucherin — ohne geocaching-Kompetenz — überlege ich deshalb, ob das die Koordinaten ihres Elternhauses sind oder ob bei N 556, 33 und W 22.600 eines ihrer Kinder gezeugt wurden. 

Tattoos kommunizieren Botschaften und treten dadurch mit anderen in Kontakt. Sie laden zur Interaktion ein. „Wo isch Goethe geboren?“ könnte ich beantworten und muss annehmen, dass der Mann mit dem massigen Genick aus Frankfurt kommt, auch wenn mich sein Aachen-T-Shirt in die Irre führen will. 

Wie Werbeschilder, so regen auch Tattoos unser Kopfkino an. Ein asiatischer Bekannter hat mich einst darauf hingewiesen, wie viele chinesische Zeichen schlicht falsch geschrieben oder übel übersetzt sind. Bei einer hübschen jungen Frau standen sie sogar in Spiegelschrift, also verkehrt herum, auf der Wade. Kein Beinbruch, aber bestimmt auch keine Absicht. 

Kann es sein, dass sich nicht nur die Abteilung „besoffene Geschichte“, sondern auch viele andere zu wenig lange vor dem Pieks überlegt haben, was sie dann bis ans Lebensende auf dem größten ihrer Organe sichtbar durch die Welt tragen? Hasen, Schlümpfe, Marienbilder, Fan-Memorabilien oder Jesusablichtungen sind noch selbsterklärend. Kein Moslem wird sich schließlich einen christlichen Herrgottswinkel stechen lassen. 

Aber was wollen uns Pfeile in Richtung Meniskus sagen? Ist das eine Orientierung für den Osteopathen? Oder was bedeutet das Piktogramm einer sterbenden Kröte samt Messer im Maul? Einen Hilferuf? Ist der Mann pleite, hat er keine Kröten mehr? 

Fazit: Als Rhetorikerin ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass Paul Wazlawick recht hatte: Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das schließt die nonverbale Kommunikation – beispielsweise Tattoos – ebenso ein, wie das gesprochene Wort. Manchmal lohnt es sich ein Motiv nicht nur nach dem situativen “jo, gel voi scheh”, sondern auch nach dessen Botschaft an die Welt zu überprüfen. Bewertet wird beides: Die künstlerische Arbeit UND die Motivaussage. 

Siehe auch: Blogbeitrag: „Wie klingt dein Audio-Tattoo“

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