Filmtipp: TÁR

22. März 2023 von Tatjana Lackner, MBA

Die dritte Regiearbeit von Todd Field “Tár” lebt ausschließlich von der australischen Schauspielerin Cate Blanchett und ihren großen und kleinen Gesten. Als Lydia Tár hat die vierfache Mutter für das 158 Minuten lange Drama sogar deutsche Sätze lernen müssen. 

Die Berliner Schauspielerin Nina Hoss hatte es neben der Ikone nicht nur im Film schwer. Vieles von dem, was Hoss später in Interviews erzählte – über die Arbeit, Recherche und Vorbereitung für ihre eigene Rolle – spürt man als Zuseher nur vereinzelt. Sie musste für die Besetzung der Sharon (Ehefrau von Lydia Tár) beispielsweise Geige lernen. Die unabhängige Karriere als große Konzertmeisterin nimmt man ihr im Film allerdings kaum ab. 

Regisseur Field hat das harte, weiße Licht Berlins immer wieder gut eingefangen, und die kantige Stadt mit ihren erschreckenden sozialen Unterschieden in der unmittelbaren Nachbarschaft machen auch vor der Haustür einer kosmopolitischen Stardirigentin nicht halt. 

In manchen Einstellungen erinnert die ungeschminkte Cate Blanchett optisch übrigens an die als queer geoutete, schottische Schauspielerin und Oscarpreisträgerin Tilda Swinton. 

Viel Namedropping, Cancel-Culture, Me-Too-Aspekte, Genderfragen und vor allem musikalische Zitate aus der klassischen Musikelite packt Field in den Streifen. Ob wirklich jeder Zuseher weiß, was “pansexuelle BIPOC-Studenten“ sind oder welche Komponisten gemeint sind, wenn es um Werke von “weißen CIS-Männern“ geht? 

Der eine oder andere Ö1-Hörer wird vielleicht nicken und sich als Schlaubi-Schlumpf mit Musikvereinsabo erhaben fühlen. Dabei braucht es für diesen Film keinerlei Vorkenntnisse aus der Klassik. Im Vordergrund stehen Machtausübung, der Umgang mit unseren dunklen Seiten und die großen und kleinen Emotionen des Beziehungslebens. 

Fazit: Mich hat der Film erreicht. Die Musik war fantastisch und Blanchett durfte sich verdient über einen weiteren Golden Globe Award freuen. Zudem wurde sie erneut als “beste Hauptdarstellerin” bei den Oscars 2023 nominiert. Ihr ist es gelungen, dass man Lydia Tár trotz des Machtmissbrauchs nicht als weiblichen Harvey Weinstein sieht, denn sie ist beides: Täterin und Opfer

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